Arbeitsgerichtsbarkeit (Deutschland)

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Großer Sitzungssaal des Bundesarbeitsgerichts

Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist die Fachgerichtsbarkeit für das Arbeitsrecht.

Sie hat bei den zu bearbeitenden Rechtsmaterien Schnittmengen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit und zur Sozialgerichtsbarkeit. Dennoch ist die Arbeitsgerichtsbarkeit eine eigene Fachgerichtsbarkeit und trotz ihrer historischen Wurzeln kein Teil der Zivilgerichtsbarkeit. Grundlegendes Gesetz für Gerichtsverfassung und Ordnung des Prozesses in der Arbeitsgerichtsbarkeit ist das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) von 1979.

Geschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit

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Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926, RGBl. I S. 507

Ursprung der Arbeitsgerichtsbarkeit waren die Zunftgerichte des Mittelalters. Es handelte sich jedoch eher um Schiedsgerichte, da es keine staatlichen Gerichtsverfahren gab. Ende des 18. Jahrhunderts wurden in Preußen sogenannte Fabrikengerichtsdeputationen eingerichtet. In den Gebieten mit französischem Recht, wie etwa im preußischen Rheinland, entstanden außerdem nach dem Vorbild der Conseils de Prud’hommes sogenannte Fabrikengerichte, die bald in Gewerbegerichte umgetauft wurden. Durch das Gewerbegerichtsgesetz von 1890 wurde dieser paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte Gerichtstyp im ganzen Reich eingeführt, wobei ein Berufsrichter als neutraler Vorsitzender hinzukam.[1] In der Weimarer Republik gab es ab 1926 Arbeitsgerichte, die aber lediglich in der ersten Instanz organisatorisch unabhängig waren[2]. Die Landesarbeitsgerichte waren den Landgerichten zugeordnet[3], das Reichsarbeitsgericht war Teil des Reichsgerichts[4]. Nach der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten wurden zunächst alle Gerichte geschlossen. Die ordentlichen Gerichte wurden schon bald wieder eröffnet, während die Arbeitsgerichte zunächst außer in Hamburg nicht wieder eingerichtet wurden, so dass arbeitsgerichtliche Streitigkeiten von den ordentlichen Gerichten erledigt werden mussten. Der Alliierte Kontrollrat verabschiedete im März 1946 das Kontrollratsgesetz Nr. 21, mit dem wieder eine gesetzliche Grundlage für Arbeitsgerichte geschaffen wurde. Die Arbeitsgerichtsbarkeit wurde völlig von der ordentlichen Gerichtsbarkeit getrennt und der Aufsicht und Verwaltung der Arbeitsbehörden (Arbeitsministerien, Landesarbeitsämter) unterstellt. Die Gerichte bestanden aus einem Vorsitzenden und je einem Beisitzer von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Der Vorsitzende musste nicht Berufsrichter sein, sondern aufgrund seiner Ausbildung, seiner früheren Tätigkeit oder seiner Obliegenheiten in Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberverbänden fähig sein, richterliche Aufgaben wahrzunehmen. Die Vorsitzenden wurden für drei Jahre bestellt, konnten aber wiederbestellt werden. Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 sollte ohne die Änderungen der Nationalsozialisten weiter gelten, soweit nicht das Kontrollratsgesetz dem entgegenstand. Auf dieser Grundlage wurden ab Sommer bzw. Herbst 1946 in der britischen und der amerikanischen Zone Arbeitsgerichte eingerichtet, die Länder der französischen Zone folgten erst 1948 und 1949. In der sowjetischen Besatzungszone hatte die Sowjetische Militäradministration in ihrem Befehl Nr. 23 schon im Januar 1946 im Vorgriff auf das Kontrollratsgesetz die Errichtung von Arbeitsgerichten angeordnet, so dass dort zwischen März und Mai 1946 105 Arbeitsgerichte errichtet wurden.[5]

Das Kontrollratsgesetz wurde in der Bundesrepublik 1953 durch ein neues Arbeitsgerichtsgesetz abgelöst, das die Unterstellung der Arbeitsgerichtsbarkeit als Fachgerichtsbarkeit unter die Arbeitsbehörden bestätigte und auch weiterhin Nicht-Volljuristen als Richter zuließ. Seit 1961 muss der Vorsitzende Berufsrichter sein.

In der DDR bestanden 1952 bis 1963 Arbeitsgerichte auf Kreis- und Bezirksebene. Nachdem diese 1963 in die Kreis- und Bezirksgerichte integriert worden waren, gab es keine gesonderten Arbeitsgerichte mehr. Arbeitsrechtliche Verfahren wurden von den Konfliktkommissionen und den Kreis- und Bezirksgerichten verhandelt. Nach der Wende wurden 1992/1993 in den neuen Ländern Landesarbeitsgerichte und Arbeitsgerichte errichtet.

Besetzt ist der Spruchkörper beim Arbeitsgericht als Kammer mit einem vorsitzenden (hauptamtlichen) Richter und je einem „ehrenamtlichen Arbeitsrichter“ von Arbeitnehmerseite und Arbeitgeberseite. Diese beiden werden über Vorschlagslisten der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände bestimmt. Dabei hat jeder dieser drei Richter dasselbe Stimmengewicht. Urteile werden meist einstimmig gefasst, es gibt aber auch die Möglichkeit, dass ein Richter überstimmt wird.

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts

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Internationale Zuständigkeit

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Die internationale Zuständigkeit folgt den allgemeinen Regeln des internationalen Zuständigkeitsrecht. Das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit führt zur Unzulässigkeit der Klage, das Fehlen einer örtlichen oder Rechtswegzuständigkeit zur Verweisung an das örtlich zuständige (§ 48 ArbGG) bzw. rechtswegzuständige (§§ 17 ff. GVG) Gericht.

Rechtswegzuständigkeit

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Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitsrechtssachen ist in den §§ 2 bis § 5 ArbGG geregelt, wobei § 2a ArbGG eine Sonderregelung für das Beschlussverfahren enthält. § 5 ArbGG enthält einen arbeitsgerichtlichen Arbeitnehmerbegriff, der den §§ 2–4 ArbGG zugrunde zu legen ist. Man kann unterscheiden zwischen der allgemeinen Rechtswegzuständigkeit nach § 2 Abs. 1 ArbGG und den besonderen Rechtswegzuständigkeiten nach den § 2 Abs. 2 ArbGG, § 2 Abs. 3 ArbGG (Zusammenhangszuständigkeit, Zusammenhangsklage), § 2 Abs. 4 ArbGG und deren Weiterungen auf Rechtsnachfolger in § 3 ArbGG. Die gesetzliche Regelung ist abschließend. Nur in den Fällen des § 2 Abs. 2 und 4 ArbGG ist sie fakultativ.

Sachliche Zuständigkeit

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Das rechtswegzuständige Arbeitsgericht der ersten Instanz ist immer auch sachlich zuständig. Früher bestand Streit, ob die Abgrenzung zwischen der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Zivilgerichtsbarkeit eine Frage der sachlichen oder der Rechtswegzuständigkeit ist. Seit dem GVG wird diese Frage als Rechtswegfrage behandelt, so dass man nicht mehr von einer sachlichen Zuständigkeit insoweit sprechen sollte.

Örtliche Zuständigkeit

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Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 46 Abs. 2, § 48 ArbGG, § 495 ZPO iVm. §§ 12 ff. ZPO. Man muss zwischen dem allgemeinen und einem besonderen Gerichtsstand unterscheiden. Bei einem allgemeinen Gerichtsstand kann man immer klagen. Gibt es einen zusätzlichen besonderen Gerichtsstand, hat man ein Wahlrecht, das einmal ausgeübt, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 wurde mit Wirkung zum 1. April 2008 ein neuer Gerichtsstand, der Gerichtsstand des Arbeitsortes eingeführt § 48 Abs. 1a ArbGG. Arbeitnehmer können seitdem eine Klage gegen ihren Arbeitgeber auch vor dem Arbeitsgericht erheben, in dessen Bezirk sie für gewöhnlich ihre Arbeit leisten. Soweit der Arbeitsort nicht gleichzeitig der Erfüllungsort ist, war dies bis dahin nicht möglich. Diese Regelung ist insbesondere für Außendienstmitarbeiter interessant, da diese ihren Arbeitgeber nun nicht mehr am Sitz des Unternehmens verklagen müssen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist aber stärker limitiert, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, so dass die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmer den Gang zu einem möglicherweise sehr weit entfernt liegenden Arbeitsgericht zu ersparen, nicht immer erreicht werden kann. § 48 Abs. 1a S. 1 ArbGG kann nur dann eingreifen, wenn sich ein Schwerpunkt der Arbeitsleistung in einem Gerichtsbezirk bestimmen lässt, ist aber schon dann nicht mehr einschlägig, wenn sich die Arbeitsleistung zwar wie häufig regional beschränkt aber über mehrere Arbeitsgerichtsbezirke verteilt, ohne das ein besonderer Schwerpunkt zu ermitteln ist. Bei § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG wird grundsätzlich auf den Ort abgestellt, von dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich ausübt, also z. B. dem Wohnsitz des Arbeitnehmers. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass dort zumindest auch Arbeitsleistungen erbracht werden, was zu verschiedenen Ergebnissen führen kann.

Das Verfahren ist ähnlich dem Zivilprozess aufgebaut. Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG und § 495 ZPO sind die Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend anzuwenden, wobei für das arbeitsgerichtliche Verfahren meist kürzere Fristen gelten. Schiedsgerichte§ 1025 ff. ZPO) sind jedoch weitgehend ausgeschlossen.

Zu unterscheiden sind das Urteilsverfahren und das Beschlussverfahren als zulässige Verfahrensarten.

Urteilsverfahren

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Hierbei sind sämtliche individualrechtliche Verfahren (§ 2 ArbGG) anhängig. In der Regel sind dies Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wegen Angelegenheiten aus dem Arbeitsverhältnis und zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Die Parteien bestehen aus Kläger und Beklagtem. Das Verfahren wird durch schriftliche Klageerhebung oder durch Protokoll erhobene Klage bei der Geschäftsstelle des zuständigen Arbeitsgericht eingeleitet. Nach Eingang der Klage bei Gericht bestimmt der Vorsitzende einen Termin zur Güteverhandlung. Nach § 61a Abs. 2 ArbGG soll dieser bei Kündigungsverfahren zwei Wochen nach Eingang der Klage stattfinden. Im Gütetermin erörtert der Vorsitzende der zuständigen Kammer mit beiden Parteien das gesamte Streitverhältnis unter Würdigung aller Umstände, § 54 Abs. 1 ArbGG. Er kann dabei zur Aufklärung des Sachverhalts alle Handlungen vornehmen, die zu einer gütlichen Einigung führen können.

Kommt eine gütliche Einigung während der Güteverhandlung nicht zustande oder erscheint eine Partei nicht zum Termin, so schließt sich die weitere streitige Verhandlung an. In aller Regel wird aber ein weiterer Termin bestimmt. Die streitige Verhandlung einschließlich Beweisaufnahme findet im Kammertermin statt. Hierbei ist die Kammer mit dem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die Klageentscheidung ergeht durch Urteil der Kammer. War eine Partei bei der streitigen Verhandlung nicht anwesend, ergeht auf Antrag der anderen Partei ein Versäumnisurteil.

Rechtsmittel im Urteilsverfahren

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Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kann Berufung eingelegt werden, wenn die Berufungssumme 600 Euro übersteigt oder es sich um eine Berufung über das Bestehen, Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt. Die frühere Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten wurde aufgehoben. Das Arbeitsgericht kann auch unabhängig vom Beschwerdewert die Berufung zulassen, § 64 Abs. 2 ArbGG, z. B. bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, vgl. MünchAR, Brehm, § 391 Rn. 3 c, 2. Auflage.

Nach § 72 Abs. 1 ArbGG kann gegen das Endurteil des Landesarbeitsgericht (LAG) das Rechtsmittel der Revision eingelegt werden, wenn sie in dem Urteil des LAG oder in einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen wurde. Das LAG hat die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und somit der Rechtsfortbildung dient. Die Revision ist auch dann zuzulassen, wenn die Entscheidung des LAG z. B. von einer Entscheidung des BAG abweicht, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

Nach § 76 ArbGG ist die Sprungrevision zulässig, wenn der Prozessgegner schriftlich zustimmt und sie vom Arbeitsgericht auf Antrag im Urteil oder nachträglich durch Beschluss des Arbeitsgerichts zugelassen wird. Das BAG kann das Urteil des LAG nur auf Rechtsfehler hin überprüfen, § 73 ArbGG. Das BAG kann somit abschließend entscheiden oder den Sachverhalt zur weiteren Klärung und erneuten Verhandlung an das LAG zurückverweisen.

Beschlussverfahren

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Das Beschlussverfahren, §§ 80 ff. ArbGG, kommt nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG für Rechtsstreitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, den Mitbestimmungsgesetzen und Entscheidungen über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Vereinigungen zur Anwendung. Hier spricht man von kollektivrechtlichen Verfahren. Der Antrag ist beim zuständigen Arbeitsgericht schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift einzubringen. Beteiligte sind auf der einen Seite der Antragsteller und auf der anderen der Antragsgegner. Das Arbeitsgericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Nach § 84 ArbGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluss ist schriftlich abzufassen. Nach § 85 ArbGG findet aus rechtskräftigen Beschlüssen durch die einem Beteiligten Verpflichtungen auferlegt werden die Zwangsvollstreckung statt. Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig.

Rechtsmittel im Beschlussverfahren

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Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kann binnen Monatsfrist die Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) eingelegt werden, analoge Anwendung des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts kann Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt werden. Hierbei gelten die gleichen Verfahrensgrundsätze wie beim Urteilsverfahren, z. B. grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder abweichende Entscheidungen.

Besondere Regeln gelten auch für die Kosten des Arbeitsgerichtsverfahrens (§ 12 ArbGG).

In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen werden Gerichtskosten erhoben. Gesetzliche Grundlagen sind das Gerichtskostengesetz (GKG) und die Justizverwaltungskostenordnung (JVKostO).

Gerichtskosten sind die gerichtliche Verfahrensgebühr – abzugrenzen von der anwaltlichen Verfahrensgebühr – und die gerichtlichen Auslagen.

Die Verfahrensgebühr (Teil 8 GKG) ist ein pauschalierter Betrag, dessen Höhe sich nach dem Streitwert bemisst. Streitwert ist der Betrag, um den gestritten wird. Ergibt sich der Streitwert nicht aus dem Klageantrag, wird er vom Gericht festgesetzt. In Kündigungssachen beträgt der Streitwert höchstens 3 Monatsverdienste.

Die gerichtliche Verfahrensgebühr gilt pauschal das gesamte Verfahren ab, das heißt, sie ist unabhängig von der Dauer oder Schwierigkeit des Verfahrens.

Wird das Verfahren durch einen gerichtlichen oder dem Gericht mitgeteilten Vergleich beendet, entfällt die Verfahrensgebühr („Vergleich“ nennt man einen Vertrag, bei dem jede Prozesspartei nachgegeben hat). Die Prozessparteien müssen sich dann nur noch einigen, wer die gerichtlichen Auslagen (so welche angefallen sind) zu tragen hat. Gleiches gilt für eine Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung. Nach streitiger Verhandlung ermäßigt sie sich auf die Hälfte. Einigt man sich also im Gütetermin, bleibt das Verfahren in der Regel kostenlos, weil die Verfahrensgebühr entfallen ist und nennenswerte gerichtliche Auslagen bisher nicht angefallen sind.

Gerichtliche Auslagen können sein: Entschädigung von Zeugen, Vergütung von Sachverständigen, Kopierkosten für zu wenig eingereichte Duplikate etc. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, denn es gibt durchaus Fälle, in welchen die gerichtlichen Auslagen die Verfahrensgebühr bei weitem übersteigen können (z. B. Sachverständigengutachten, Anreise eines Zeugen aus dem Ausland etc.).

Kostenschuldner der Gerichtskosten ist zunächst der Antragsteller (§ 2 Abs. 1 GKG), bei gerichtlicher Entscheidung die in die Kosten verurteilte Prozesspartei, § 29 Ziff. 1 GKG (entsprechend dem Maß ihres Unterliegens); weiterhin auch die Prozesspartei, die sie durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Gericht übernommen hat, § 29 Ziff. 2 GKG (z. B. bei Vergleich).

Bei den Gerichten für Arbeitssachen besteht jedoch keine Kostenvorschusspflicht. Die Kosten werden erst nach Beendigung des Verfahrens erhoben. Fälligkeit der Kosten tritt auch ein bei sechsmonatiger Aussetzung, Ruhen, Unterbrechung oder Nichtbetreiben des Verfahrens (§ 9 Abs. 2 GKG).

Prozessparteien, die außerstande sind, ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Lebensunterhalts die voraussichtlichen Prozesskosten zu bestreiten, kann auf Antrag Prozesskostenhilfe gewährt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Verfahren nicht mutwillig angestrengt wurde und die beabsichtigten Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 11a ArbGG in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO).

Vor den Arbeitsgerichten besteht kein Anwaltszwang, das heißt die Prozessparteien können sich dort selbst vertreten (anders dann vor dem Landesarbeitsgericht und dem Bundesarbeitsgericht); vgl. § 11 ArbGG. Eine gerichtliche Beiordnung eines Anwaltes kann aber im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 11a ArbGG erfolgen. Statt eines Rechtsanwalts kann in den beiden unteren Instanzen auch ein Gewerkschaftssekretär auftreten, vor dem Bundesarbeitsgericht muss der Vertreter Volljurist sein, aber nicht zwingend als Rechtsanwalt zugelassen.

Wenn ein Anwalt eingeschaltet wird, sind die dann entstehenden Anwaltsgebühren im Arbeitsrecht im Regelfall Wertgebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), bemessen sich also nach dem Gegenstandswert (außergerichtlich), bzw. Streitwert (gerichtlich) (§ 22 RVG). Die einzelnen Gebührentatbestände richten sich nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG).

§ 12a ArbGG sieht als Besonderheit und abweichend vom Zivilprozess vor, dass die jeweiligen eigenen Anwaltsgebühren der Streitparteien im Wesentlichen von der jeweiligen Prozesspartei selbst zu tragen sind, unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht. Man zahlt also den eigenen Anwalt auch dann, wenn man den Prozess gewinnt. Diese besondere Kostenregelung gilt jedoch nur für die 1. Instanz vor dem Arbeitsgericht; allerdings auch für außergerichtlich entstandene Anwaltskosten. In der Berufungs- und in der Revisionsinstanz werden auch die Anwaltsgebühren je nach Obsiegen oder Unterliegen zwischen den Prozessparteien aufgeteilt.

Bei entsprechender Bedürftigkeit kann aber außergerichtlich Beratungshilfe und im Prozess Prozesskostenhilfe (vgl. auch § 11a ArbGG) in Anspruch genommen werden.

Gerichtsorganisation in Deutschland (Makroebene)

Mit der Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke[6] besteht der Instanzenzug seit dem 1. Januar 2023 aus 106 Arbeitsgerichten, 18 Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht, das seinen Sitz in Erfurt hat.

1. Instanz: Arbeitsgericht

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Die Entscheidungen der ersten Instanz ergehen durch einen Vorsitzenden (Berufsrichter) und zwei ehrenamtliche Richter, die aus den Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestellt werden. Es können nach § 17 Abs. 2 S. 1 ArbGG Fachkammern, z. B. für das Handwerk, gebildet werden. Gegen Urteile des Arbeitsgerichts ist die Berufung zum Landesarbeitsgericht möglich, ebenso entscheidet das Landesarbeitsgericht bei Beschwerden über Beschlüsse des Arbeitsgerichts. Im Urteils- oder Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht können die Beteiligten selbst auftreten oder sich durch einen Vertreter der Gewerkschaften (Arbeitnehmer) oder Arbeitgeberverbänden (Arbeitgeber) wie auch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, § 11 ArbGG. Kammerrechtsbeistände (§ 209 BRAO) sind im Verfahren vor dem Arbeitsgericht nach § 3 Absatz 1 RDGEG den Rechtsanwälten gleichgestellt.

2. Instanz: Landesarbeitsgericht

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In den Ländern ist jeweils ein Landesarbeitsgericht eingerichtet, lediglich Nordrhein-Westfalen (drei Landesarbeitsgerichte) und Bayern (zwei Landesarbeitsgerichte) weichen davon ab. Berlin und Brandenburg haben ein gemeinsames Landesarbeitsgericht. Die Kammern der Landesarbeitsgerichte sind wie beim Arbeitsgericht mit einem Vorsitzenden (Berufsrichter) und zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzt.

Im Urteils- und im Beschlussverfahren haben sich die Parteien von einem Vertreter der Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbandes oder durch einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen (§ 11 Abs. 2 ArbGG).

Gegen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts können Rechtsmittel eingelegt werden. Dies sind die Revision zum Bundesarbeitsgericht und – bei Nichtzulassung der Revision – die Nichtzulassungsbeschwerde. Auch Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts sind möglich.

Bei der Sprungrevision vom Arbeitsgericht zum Bundesarbeitsgericht (§ 76 ArbGG) wird die 2. Instanz übersprungen.

3. Instanz: Bundesarbeitsgericht

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Bundesarbeitsgericht in Erfurt

Das Bundesarbeitsgericht besteht aus zehn Senaten. Jeder der Senate ist mit einem Vorsitzenden (Berufsrichter), zwei berufsrichterlichen Beisitzern und zwei ehrenamtlichen Beisitzern aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzt. Im Urteils- und im Beschlussverfahren muss sich jede Partei durch einen Vertreter einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbandes oder durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Des Weiteren gibt es beim Bundesarbeitsgericht (BAG) den kleinen (z. B. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 74 Abs. 2 S. 3 ArbGG) und den großen Senat. Der große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Senats oder des großen Senats abweichen will.

Schiedsgerichtsbarkeit

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Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien sowie Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis von Bühnenkünstlern, Filmschaffenden und Artisten gestattet § 101 ArbGG den Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit zugunsten von Schiedsgerichten.

Bühnenschiedsgerichte beispielsweise bestehen seit 1924.[7] Gegenwärtig umfassen sie Bezirksschiedsgerichte in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt am Main, München und Chemnitz und das Bühnenoberschiedsgericht in Frankfurt am Main[8] sowie das Bühnenschiedsgericht für Opernchöre und das Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre in Köln.[9] Organisatorisch sind diese Bühnenschiedsgerichte mit den jeweiligen Landesarbeitsgerichten verbunden, in Chemnitz mit dem Arbeitsgericht.[10] Rechtsmittel ist die Aufhebungsklage zum Arbeitsgericht nach § 110 ArbGG.

Das für Kapitäne und Besatzungsmitglieder zuständige Tarifschiedsgericht für die deutsche Seeschiffahrt wurde 1970 aufgelöst.[11]

Commons: Arbeitsgerichtsbarkeit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Zur Entstehung der Gewerbegerichte im 19. Jahrhundert vgl. Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, I. Abteilung: Von der Reichsgründungszeit bis zur Kaiserlichen Sozialbotschaft (1867–1881), 4. Band: Arbeiterrecht, bearbeitet von Wolfgang Ayaß, Karl Heinz Nickel und Heidi Winter, Darmstadt 1997; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, II. Abteilung: Von der Kaiserlichen Sozialbotschaft bis zu den Februarerlassen Wilhelms II. (1881–1890), 4. Band: Arbeiterrecht, bearbeitet von Wilfried Rudloff, Darmstadt 2008; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, III. Abteilung: Ausbau und Differenzierung der Sozialpolitik seit Beginn des Neuen Kurses (1890–1904), 4. Band, Arbeiterrecht, bearbeitet von Wilfried Rudloff, Darmstadt 2011; vgl. Wolfgang Ayaß: Sozialstaat und Rechtsprechung. Die Entstehung der Sozial- und Arbeitsgerichtsbarkeit, in: ders./ Wilfried Rudloff/Florian Tennstedt: Sozialstaat im Werden. Band 2. Schlaglichter auf Grundfragen, Stuttgart 2021, S. 158–185.
  2. § 14 Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926, RGBl. I S. 507
  3. § 33 Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926
  4. § 40 Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926
  5. Johannes Frerich, Martin Frey, Sozialpolitik in der Deutschen Demokratischen Republik. München 1993, S. 54
  6. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil I – Gesetze, 32. Jahrgang Potsdam, den 9. Juni 2021 Nummer 13. (PDF) Die Präsidentin des Landtages Brandenburg, 9. Juni 2021, abgerufen am 29. März 2023.
  7. Hermann Kaufmann: Bühnenarbeitsrecht und Bühnenschiedsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, in: Das Recht der Arbeit – DRdA, H. 14, Ausg. 4/1954, S. 8–10.
  8. Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit – Bühnenschiedsgerichtsordnung (BSchGO) – vom 1. Oktober 1948, § 3. In: Hanskarl Ganß, Sabine Assmann: Arbeitsrecht der Bühne, 2016, Anhang 2.
  9. Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit für Opernchöre vom 30. März 1977, § 3. In: Hanskarl Ganß, Sabine Assmann: Arbeitsrecht der Bühne, 2016, Anhang 3.
  10. Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA): Recht und Beratung
  11. BT-Drs. 17/10959, S. 119