Alexander Nikolajewitsch Radischtschew

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Alexander Radischtschew

Alexander Nikolajewitsch Radischtschew (russisch Алекса́ндр Никола́евич Ради́щев, wiss. Transliteration Aleksandr Nikolaevič Radiščev; * 20. Augustjul. / 31. August 1749greg. in Moskau; † 12. Septemberjul. / 24. September 1802greg. in Petersburg) war ein russischer Philosoph und Schriftsteller. Als Anhänger der Aufklärung und Gegner der Leibeigenschaft zog er sich Veröffentlichungsverbot und Verbannung zu. Im Alter von 53 beging er Suizid.

Der Sohn eines Moskauer Gutsbesitzers studierte als Mitglied des russischen Pagenkorps und auf Wunsch Katharinas II. in Leipzig Rechtswissenschaften – als Kommilitone Goethes – und schloss sich den französischen Aufklärern Mably (Bruder von Étienne Bonnot de Condillac), Rousseau und Helvétius an. In der Philosophie trug er neue Ideen zur logischen Analyse von Relationen bei.

Die Ideen der Aufklärung (Naturrecht) versuchte er später, 1790, als Petersburger Zolldirektor, in seinem Roman Reise von Petersburg nach Moskau zu verbreiten. In diesem „Roman“ – in Wirklichkeit eine radikal aufklärerische Kritik an den seiner Meinung nach unerträglichen Verhältnissen in Russland unter Katharina II. – geißelte er insbesondere die Leibeigenschaft und die Unmenschlichkeit der herrschenden und weitgehend verkommenen aristokratischen Klasse. Dem Adel gibt sein Roman auch die Schuld am bäuerlichen Pugatschow-Aufstand. Katharina II. ließ ihn wegen dieses Buches[1] durch den der Geheimpolizei vorstehenden Geheimrat Scheschkowski verfolgen und verurteilte 1790 Radischtschew zum Tode. Radischtschew bat um Gnade und distanzierte sich von den Inhalten seines Buches, worauf die Strafe in zehn Jahre Verbannung umgewandelt wurde. Das Verbot der Reise von Sankt Petersburg nach Moskau gilt als Wendepunkt in der bis dahin glimpflichen Zensurpraxis Katharinas, die in den letzten Jahren ihrer Herrschaft deutlich verschärft wurde.

Ode an die Freiheit

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1. Strophe (von 50)

Du Quelle aller großen Taten,
Des Himmels köstlichstes Geschenk,
Erlaub, o Freiheit, dass ein Sklave
In einer Ode Dir gedenk.
O laß mein Herz von Dir erglühen
Und es durch deine Kraft erblühen,
Brich ab des Sklaventumes Nacht,
Laß Tell und Brutus nochmals wecken.
Ergreif die Macht und laß erschrecken
Vor deinem Wort der Zaren Macht.

13. Strophe

Ein Heer der Rächer wird erstehen,
Die, von der Hoffnung jäh entflammt,
Dereinst die Schande tilgen werden
Im Blut des Quälers allesamt.
Ich sehe scharfe Schwerter glänzen
Und aller Arten Tod umkränzen
Das stolze Haupt, den halben Gott.
Frohlockt, Gefesselte und Knechte:
Man führt kraft angebornem Rechte
Den Zaren selbst auf das Schafott.

(Aus: Reise von Petersburg nach Moskau, Ausgabe Leipzig 1982, Versübertragung von Bruno Tutenberg, Seite 163 ff)

Nach Katharinas Tod erlaubte Paul I. Radischtschew die Rückkehr auf seine Güter. Trotz – oder wegen – seiner Berufung 1801 in die Gesetzgebungskommission verzweifelte dieser jedoch an der Aussichtslosigkeit der Reformbestrebungen und nahm sich, wieder verdächtigt und in Angst vor erneuter Verbannung, das Leben. Allerdings wollte er damit auch ein Fanal setzen.[2]

Radischtschews Werk, obwohl nur mündlich oder in Abschriften unter der Hand verbreitet, soll großen Einfluss gehabt haben. Es heißt, für das Lesen von Abschriften seien teilweise hohe Summen bezahlt worden.[3] Es konnte erst nach der Revolution 1905 in Russland erscheinen.

1878 gründete ein Enkel Radischtschews, der Maler Alexei Petrowitsch Bogoljubow, zu Ehren seines Großvaters das Radischtschew-Kunstmuseum in Saratow. Der Asteroid des äußeren Hauptgürtels (2833) Radishchev ist nach ihm benannt.[4]

  • Reise von Petersburg nach Moskau, 1790, deutsch u. a. Rütten & Loening Berlin 1952, Reclam Leipzig 1982
  • Ode Wolnost (Freiheit), 1782 (veröffentlicht 1790)
  • Brief an einen Freund, 1773 (Tagebuch einer Woche des Jahres 1772, veröffentlicht 1809)
  • Über den Menschen, über seine Sterblichkeit und Unsterblichkeit, ?
  • Geschichte in Gestalten, Bd. 4, Das Fischer Lexikon, 1963
  • Meyers Taschenlexikon, 1967
  • Harri Jünger (Hrsg.): Literaturen der Völker der Sowjetunion, Leipzig 1967
  • Annelies Grasshoff: Radischtschew, in: Helmut Grasshoff (Hrsg.): Geschichte der russischen Literatur von den Anfängen bis 1917, Bd. 1 Von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Seite 217–231, Aufbau-Verlag Berlin 1986 (mit weiteren Literaturhinweisen)
  • David Marshall Lang First Russian Radical, Alexander Radischev, 1749–1802, London: George Allen & Unwin, 1959
  • Peter Hoffmann: Aleksandr Nikolaevič Radiščev (1749–1802). Leben und Werk. Peter Lang Edition, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-631-65896-3.
  • Radischtschew steht im Mittelpunkt einer Romantrilogie (1934–39) der sowjetischen Schriftstellerin Olga Forsch

Einzelnachweise

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  1. dessen Absicht „auf jeder Seite zu erkennen“ sei: ...„der Verfasser ist erfüllt und vergiftet von dem französischen Irrwahn ..(..)..ein Aufrührer, schlimmer als Pugatschow ...“
  2. zvab (Memento vom 19. Dezember 2012 im Internet Archive), abgerufen am 26. Juli 2011
  3. Etwa von Puschkin, wie Annelies Grasshoff im Nachwort der Reclamausgabe von 1982 mitteilt (Seite 212)
  4. Lutz D. Schmadel: Dictionary of Minor Planet Names. Fifth Revised and Enlarged Edition. Hrsg.: Lutz D. Schmadel. 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2003, ISBN 3-540-29925-4, S. 186, doi:10.1007/978-3-540-29925-7_2834 (englisch, 992 S., Originaltitel: Dictionary of Minor Planet Names. Erstausgabe: Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 1992): “1978 PC4. Discovered 1978 Aug. 9 by L. I. Chernykh and N. S. Chernykh at Nauchnyj.”
Commons: Alexander Radishchev – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien