Goli otok

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Goli otok
Goli otok
Goli otok
Gewässer Adriatisches Meer, Kvarner
Geographische Lage 44° 50′ 18″ N, 14° 49′ 7″ OKoordinaten: 44° 50′ 18″ N, 14° 49′ 7″ O
Goli otok (Primorje-Gorski kotar)
Goli otok (Primorje-Gorski kotar)
Fläche 4,7 km²
Einwohner unbewohnt
Lagekarte
Lagekarte

Goli otok (kroatisch für „Nackte Insel“) ist eine kroatische Adria-Insel zwischen der Insel Rab und dem Festland. Sie gehört zur Gespanschaft Primorje-Gorski kotar und erstreckt sich über eine Fläche von 4,7 Quadratkilometern. Die ehemalige Gefängnisinsel ist heute unbewohnt, kann aber von Touristen besichtigt werden.

Bekannt ist die Insel aufgrund des 1949 durch die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) errichteten Umerziehungslagers für politische Gefangene. In Folge des Bruchs des Tito-Regimes mit der Sowjetunion wurden als „Stalinisten“ bezeichnete Anhänger des Kominforms interniert, die bis zur Aussöhnung mit der Sowjetunion nach Stalins Tod als Volksfeinde galten. Mehr als 55.000 KPJ-Mitglieder wurden aus der Partei ausgeschlossen und viele von der jugoslawischen Geheimpolizei UDB (ab 1966 SDB) und dem Militärgeheimdienst KOS verhaftet. Zwischen 11.000 und 18.000 von ihnen wurden auf Goli otok (Männerlager) und der Nachbarinsel Sveti Grgur (Frauenlager) inhaftiert.[1] Daneben auch einige überlebende Ustascha-Faschisten.[2] Ab etwa 1955 wurden auch andere angebliche Staatsfeinde gefangen gehalten.

Die Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit in den Steinbrüchen und Werkstätten eingesetzt, gefoltert und getötet. 1988 wurde das auch als „Titos KZ[2] oder beschönigend „Titos Hawaii“ (Titovi Havaji) bezeichnete Gefängnis stillgelegt und 1989 völlig verlassen, woraufhin fast sämtliche beweglichen Gegenstände geplündert wurden.

In den vergangenen Jahrhunderten diente die Insel Goli otok, die etwa fünf Kilometer vom nächstgelegenen Hafen der Nachbarinsel Rab entfernt liegt, hauptsächlich als Weidegrund für Schafherden. Auf der Insel wurden einige Zisternen sowie provisorische Unterkünfte für Hirten errichtet.

Bis zum Ersten Weltkrieg gab es auf Goli otok keine Siedlungen. Österreich-Ungarn errichtete dann während des Krieges auf der Insel ein Gefangenenlager für russische Kriegsgefangene.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie von den Italienern übernommen, die versuchten, auf ihr Bauxit abzubauen, was sich aber als unrentabel erwies. Danach betrieb ein Großhändler aus Brinje namens Rade Vuković dort wieder eine Schafzucht. Im Jahr 1939 gab es im Königreich Jugoslawien Pläne des Generals Dušan Simović, auf der Insel ein Konzentrationslager für Kommunisten einzurichten, die aber nicht verwirklicht worden sind.[2]

Umerziehungslager und Staatsgefängnis Jugoslawiens

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Ein Teil der Anlagen, u. a. Bäckerei und Heizwerk auf Goli otok (2005).
Gefängnisgebäude auf Goli otok (1991).

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine Enteignung, wodurch die Insel in Besitz des nun sozialistischen Staates Jugoslawien kam. Nach dem Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kominform und dem dauerhaften Bruch Titos mit Stalin wurde 1949 auf ihr ein Gefangenenlager für politische Häftlinge errichtet. Das Gefangenenlager diente zuallererst als Auffanglager für jugoslawische Anhänger der Sowjetunion und Stalins und galt anfangs daher auch als Gulag für Stalinisten.[3] Einer der Hauptinitiatoren für diese Idee war der damalige jugoslawische Innenminister Aleksandar Ranković. An dem Beschluss, es dort zu errichten, war auch der spätere Parteidissident und Schriftsteller Vladimir Dedijer beteiligt.[2]

Im Sommer 1949 kamen mit Kominform-Anhängern und Faschisten die ersten Gefangenen auf die Insel. Ab etwa 1955 wurden auch andere angebliche Staatsfeinde gefangen gehalten: Sozialdemokraten, Bürgerliche, Monarchisten und westlich Orientierte. Vielfach waren diese unter Folter zu falschen Selbstbeschuldigungen gezwungen worden und zur Haft auf der lebensfeindlichen Insel verurteilt worden.

Nachdem zuvor die Arbeit in Steinbrüchen verrichtet wurde, stellten ab den 1960er Jahren die Häftlinge auf Goli otok unter anderem Terrazzofliesen und Möbel her.

Auf Goli otok herrschten Rechtlosigkeit, Willkür, Terror und Gewalt. Gegenseitige Denunziationen unter den Häftlingen boten Chancen auf leichtere Haft oder gar Entlassung. Die Gefangenen wurden zu schweren körperlichen Arbeiten ohne Rücksicht auf die Wettergegebenheiten gezwungen und waren darüber hinaus regelmäßig Misshandlungen seitens des Wachpersonals ausgesetzt. Zahlreiche Gefangene starben. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Schätzungen variieren von etwa 400 bis über 600 Toten.[4][5][6]

Die Gefangenentransporte fanden ohne jegliche Verpflegung und ohne Sitzplätze in Viehwagen statt, welche aus dem Landesinneren mit der Eisenbahn zum Hafen von Bakar gebracht wurden. Von dort wurden sie an Händen und Füßen gefesselt mit einem Schiff auf die Insel gebracht, was je nach Wetterlage 5 bis 6 Stunden dauerte und selbst bei starken Stürmen durchgeführt wurde.

Nachdem die Gefangenen auf der Insel eingetroffen waren, wurden sie von den Wachleuten und den anwesenden Gefangenen verprügelt.[4] Außerdem wurden die Neuankömmlinge gezwungen, Loblieder und Parolen zu Ehren des Staatspräsidenten Tito zu singen.

Dabei kam es manchmal zu absurden Situationen, in denen Wachleute auf Gefangene einschlugen, mit denen sie ein paar Jahre zuvor während des Krieges in der gleichen Partisaneneinheit im Einsatz waren.[7]

Gefängnisgebäude (2012)

Auf der Nachbarinsel Sveti Grgur wurde ein vergleichbares Gefängnis, in dem ähnliche Zustände herrschten, ursprünglich nur für Frauen errichtet.

Zwei Jahre vor dem Zerfall Jugoslawiens wurde das Gefängnis auf Goli otok aufgegeben.

In den frühen 1950er-Jahren wurde das Lager von dem montenegrinischen Kommunisten Veselin Bulatović geleitet.[8][9] 1966 wurde mit dem jugoslawischen Geheimdienstchef Aleksandar Ranković, auch der damalige Lagerdirektor Slavko Barta seines Postens enthoben.[10] Im Jahr 1981 war Anton Silić Direktor des Lagers.[11]

Insgesamt wurden 16.500 Personen auf der Insel eingesperrt. Die meisten Staatsfeinde wurden ohne Gerichtsurteil auf die Insel verfrachtet. Neben Stalinisten und Ustascha befanden sich darunter auch Arbeiter, Bauern, Intellektuelle, Studenten und Beamte. Die härtesten Gegner des Tito-Regimes blieben bis 1985 auf Goli otok.[12]

Verarbeitung in der Literatur

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1960 wurde in der Sozialistischen Volksrepublik Albanien die deutschsprachige Broschur In den Gefängnissen und Konzentrationslagern Jugoslaviens herausgegeben, die sich ausführlich mit dem Lager und den Folterungen auf Goli otok beschäftigte.[13]

Der kroatische Journalist Bruno Bušić veröffentlichte 1976 in den Vereinigten Staaten das Buch „UDBA archipelago : prison terror in Croatia“ (Der UDBa-Archipel : Gefängnisterror in Kroatien).[14]

Der autobiographische Roman Umiranje na obroke (Tod in Raten) des slowenischen Ex-Dachau-Häftlings Boris Fakin erschien 1984 unter dessen Pseudonym Igor Torkar,[15] mit Unterstützung des kommunistischen Lyrikers und Weltkriegspartisanen Matej Bor bei Delo in Ljubljana und beim Globus-Verlag in Zagreb. Fakin war nach seiner Rückkehr 1948 als angeblicher Gestapo-Agent in einem der stalinistischen Schauprozesse, der „Dachau-Prozesse“ von 1947/48, zu 12 Jahren Lagerhaft verurteilt worden.

Im selben Jahr erschien in den USA Goli otok – The Island of Death, in dem der mazedonisch-bulgarische Schriftsteller Venko Markovski die Schrecken der Gefängnisinsel beschrieb.

Der in Rovinj geborene Poet Ligio Zanini (1927–1993) schrieb im Jahr 1990 sein autobiografisches Werk Martin Muma über seine Häftlingszeit auf der Insel.
Der Slowene Branko Hofman schrieb das Buch „Noč do jutra“ (Nacht bis zum Morgen) über seine Erlebnisse als Gefangener auf der Insel.

Auch der Ich-Erzähler im Roman Alla cieca (Blendungen) des italienischen Schriftstellers Claudio Magris berichtet über seine Zeit auf Goli otok und die dortigen brutalen Haftbedingungen und Folterungen.

Der Slowene Drago Jančar berichtet über die Region und die Insel in seinem Essayband Brioni.

In dem Roman Was Nina wusste (Hanser Verlag, 2020) des israelischen Schriftstellers David Grossman spielt die fiktional verarbeitete Lebensgeschichte der Zeitzeugin Eva Panić-Nahir und ihre Haft auf der adriatischen Gefängnisinsel eine nicht unbedeutende Rolle.[16]

  • Martin Previšić: Povijest Golog otoka. Fraktura, Zaprešić 2019, ISBN 978-953-266-988-6 (kroatisch).
  • Božidar Jezernik: Titos Gulag auf der Insel Goli Otok. Klagenfurt 2014 (Aus dem Slowenischen und Serbokroatischen von Karin Almasy).
  • Georg Lux, Helmuth Weichselbraun: Verfallen & vergessen : Lost Places in der Alpen-Adria-Region. Styria Verlag, Wien/Graz/Klagenfurt 2017, ISBN 978-3-222-13551-4.
  • Friedrich-Ebert-Stiftung Zagreb: Goli Otok – a short guide through the history of the internment camp on Goli Otok. Zagreb 2020 (englisch). Link zum PDF
Commons: Goli otok – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Goli Otok. (deutsch, englisch, Rundgang über Titos ehemalige Gefängnis-Insel in der Adria; Registrierung erforderlich).
  • Nicole Münnich: Titos tabuisiertes „Hawaii“. Zum Stand der Forschung über die jugoslawische Lagerinsel Goli otok und zur Frage nach Aufarbeitung. (pdf; 349 kB) In: fraumuennich.de. 12. April 2005, archiviert vom Original am 10. Juni 20047;.
  • Kristina Maskarin: Goli Otok Croatia. In: Picasa Web Albums. 28. September 2007, archiviert vom Original am 19. Mai 2011; (Bildergalerie).
  • Maria Sterkl: Plötzlich waren die Russen böse. In: DerStandard.at. 20. September 2010;.
  • Christian Wirth: Otok sv. Grgur. In: 365sterne.de. 2016; (deutsch).
  • Jan Petter, Federico Tisa: Jugoslawisches Gefängnis Goli otok: Titos Insel des Grauens. In: spiegel.de. 28. Januar 2024;.

Einzelnachweise

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  1. Holm Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011: Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Böhlau Verlag, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79609-1, S. 103.
  2. a b c d Ivan Kosić: Goli Otok : najveći Titov Konclogor. „Adamić“, Rijeka 2003, ISBN 953-219-126-7.
  3. Miroslav Lazanski: Тито после 30 година. In: Политика Online. 17. April 2010, abgerufen am 28. Januar 2024 (serbisch).
  4. a b Simone Cristicchi, Giovanni Cocco: Titos Gulag. In: Mare. 3. April 2018, abgerufen am 20. April 2020.
  5. Sarah Gibbens: See the Haunting Ruins of a Prison Once Known as a ‘Living Hell’. In: nationalgeographic.com. 29. August 2017, archiviert vom Original am 28. Juli 2018; abgerufen am 27. Juni 2023 (englisch).
  6. Martin Previšić: Broj kažnjenika na Golom otoku i drugim logorima za informbirovce u vrijeme sukoba sa SSSR-om (1948.-1956.). (pdf; 369 kB) In: Historijski zbornik. Band 66, Nr. 1, 2013, S. 173–193, hier S. 190, abgerufen am 28. Januar 2024 (kroatisch, ISSN 0351-2193).
  7. Ilija Vukadinović: U more s njima. In: Borba, 1. Juni 1990
  8. Sofokli Lazri, Javer Malo: In den Gefängnissen und Konzentrationslagern Jugoslaviens. Tirana 1960, S. 87 (Übersetzung eines Artikels aus der Zeitung Zëri i Popullit vom August 1960).
  9. Radio Free Europe (Hrsg.): From the Research Departments of Radio Free Europe : Communist area. Band 2. Radio Free Europe, 1966, S. 14.
  10. Slobodan Stanković: Titos Erbe : die Hypothek der alten Richtungskämpfe ideologischer und nationaler Fraktionen (= Band 18 von Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas). R. Oldenbourg, 1981, ISBN 978-3-486-51271-7, S. 128.
  11. Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (Hrsg.): Die Petition : Amnestie für alle politischen Gefangenen in Jugoslawien. 1986, S. 33.
  12. Christian Wehrschütz: Brennpunkt Balkan: Blutige Vergangenheit – Ungewisse Zukunft. ISBN 3-222-13427-8, S. 111
  13. Sofokli Lazri, Javer Malo: In den Gefängnissen und Konzentrationslagern Jugoslaviens. Tirana 1960 (Übersetzung eines Artikels aus der Zeitung Zëri i Popullit vom August 1960).
  14. Bruno Bušić: UDBA archipelago : prison terror in Croatia. Croatian Information Service, Arcadia (Ca.) 1976 („Der UDBa-Archipel: Gefängnisterror in Kroatien“).
  15. Vesna Žarkovič: Braving Life’s Bitter Sorrows. In: Slovenia News. 16. Dezember 2003, abgerufen am 28. Januar 2024 (englisch, Interview mit Boris Fakin).
  16. Christoph Schröder: David Grossman: „Was Nina wusste“Im Abgrund europäischer Geschichte. (mp3-Audio; 18 MB; 19:44 Minuten) In: Deutschlandfunk-Sendung „Büchermarkt“. 1. November 2020, abgerufen am 28. Januar 2024 (html).