Dehydrochlormethyltestosteron

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Strukturformel
Struktur von Dehydrochlormethyltestosteron
Allgemeines
Freiname Chlordehydromethyltestosteron
Andere Namen
  • 4-Chlor-17β-hydroxy-17α-methylandrosta-1,4-dien-3-on
  • (8R,9S,10R,13S,14S,17S)-4-Chlor-17-hydroxy-10,13,17-trimethyl-7,8,9,11,12,14,15,16-octahydro-6H-cyclopenta[a]phenanthren-3-on (IUPAC)
Summenformel C20H27ClO2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 2446-23-3
ECHA-InfoCard 100.392.451
PubChem 98521
ChemSpider 88972
Wikidata Q909987
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A14AA10

Wirkstoffklasse

Anabolikum

Eigenschaften
Molare Masse 334,88 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 350​‐​360​‐​362​‐​372​‐​411
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Dehydrochlormethyltestosteron ist ein in den 1960er Jahren im Arzneimittelwerk VEB Jenapharm in der DDR entwickeltes und unter dem Handelsnamen Oral-Turinabol vertriebenes Anabolikum, genauer anaboles Steroid. Es wurde in den 1970er und 1980er Jahren in großem Umfang im staatlich organisierten Zwangsdoping im DDR-Leistungssport, insbesondere in den Kraftdisziplinen wie Kugelstoßen, Diskuswurf sowie in Sprintdisziplinen und beim Schwimmen verabreicht.

Das rezeptpflichtige Medikament war in zwei Formen verfügbar, rosafarbene Tabletten mit je einem Milligramm Wirkstoff und blaue Tabletten (unter Leistungssportlern als blaue Bohnen oder blaue Blitze bekannt) mit je fünf Milligramm Wirkstoff.

Wirkstoff und Wirkung

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Dehydrochlormethyltestosteron ist ein künstliches männliches Sexualhormon mit einer starken anabolen und einer relativ geringen androgenen Wirkkomponente (anabole Wirkung: 53, androgene Wirkung: 6 laut Messungen mit dem Hershberger-Test).[2] Das Medikament war ursprünglich für die Unterstützung von Heilungen nach schweren Verletzungen und Operationen entwickelt worden, u. a. wurde es bei Knochenschwund verschrieben. Es bewirkt ein schnelles Wachstum der Muskeln, was vor allem bei jungen Sportlerinnen zu hohen Leistungssteigerungen führte.[3]

Überdosierungen oder Einnahmen über längere Zeit können zu schweren Leberschädigungen, erheblichem Bluthochdruck, Muskelkrämpfen und erhöhter Aggressivität führen. Mögliche Nebenwirkungen bei Frauen sind eine tiefere Stimme, Bartwuchs, Akne, eine Steigerung der Libido, Unfruchtbarkeit und Menstruationsstörungen. Bei Männern können Potenzstörungen und Prostataerkrankungen auftreten. Besonders problematisch ist die Verabreichung von Dehydrochlormethyltestosteron an Kinder, da diese sich noch in der Wachstumsphase befinden und daher leicht Wachstumsstörungen auftreten können.

Packung Oral-Turinabol (DDR-Museum Berlin)

1968 entschieden DDR-Sportfunktionäre, Dehydrochlormethyltestosteron Sportlern zu verabreichen. Aufgrund der Erfolge gedopter Athleten bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko kam es wenig später zum breiten Einsatz. Ab 1974 verabreichte man Dehydrochlormethyltestosteron Mädchen und Frauen in den DDR-Sport-Leistungszentren.[4] Für die Verteilung des Medikamentes wurde 1974 unter Aufsicht des Sportmedizinischen Dienstes eine geheime Arbeitsgruppe gebildet. Oral-Turinabol wurde teilweise bereits Sportlern ab einem Alter von zwölf Jahren verabreicht.[5]

Jenapharm stellte die Produktion 1994 wegen der leberschädigenden Wirkung ein. Oral-Turinabol ist heute jedoch wieder auf dem Schwarzmarkt erhältlich, der Wirkstoff wird weiterhin hergestellt, unter anderem in Laboren in China.[6][7]

Rund 100 bis 160 ehemalige DDR-Sportler, die durch die Einnahme von Oral-Turinabol und anderer leistungssteigernder Substanzen geschädigt wurden, erhoben 2004 Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen Jenapharm, welches heute zum Bayer-Konzern gehört.[8][9]

Einzelnachweise

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  1. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von (8R,9S,10R,13S,14S,17S)-4-chloro-17-hydroxy-10,13,17-trimethyl-7,8,9,11,12,14,15,16-octahydro-6H-cyclopenta[a]phenanthren-3-one im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 23. Januar 2024.
  2. Brigitte Berendonk: Doping-Dokumente – Von der Forschung zum Betrug. Springer-Verlag, Berlin 1991, ISBN 3-540-53742-2, S. 80.
  3. Орал Туринабол: описание препарата, как принимать (КУРС), история, отзывы. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Oktober 2018; abgerufen am 10. Oktober 2018 (russisch).
  4. Doping mit Oral-Turinabol taz, 19. Dezember 2001, S. 3.
  5. Doping eines DDR-Turnermädchens - Der Mut zur Aufarbeitung. Abgerufen am 12. Juli 2021.
  6. DDR-Dopingmittel auf dem Schwarzmarkt Berliner Zeitung, 17. März 2003, S. 32.
  7. Neun Dopingfälle – Aserbaidschan muss zahlen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. April 2014, abgerufen am 2. August 2014.
  8. @1@2Vorlage:Toter Link/arge.sportgericht.deJenapharm weist Ansprüche von DDR-Sportlern zurück. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) arge.sportgericht.de, 15. Juli 2004.
  9. DDR-Sport: Doping-Opfer wollen DOSB verklagen. In: Der Spiegel. 10. Oktober 2006 (spiegel.de [abgerufen am 31. März 2023]).