Beginen in Norddeutschland

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Begine in Lübeck, 1489

Beginen gab es in vielen norddeutschen Städten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit.

Die ältesten Nachrichten über Beginen im norddeutschen Raum sind aus Hamburg 1255 und aus Bremen von 1258 erhalten. Etwa um 1300 hatten sie in den meisten größeren Städten eigene Konvente.

Seit der zeitweisen kirchenrechtlichen Häretisierung und teilweisen Verfolgung im frühen 14. Jahrhundert gibt es wesentlich weniger erhaltene Nachrichten über Beginen. Es bestanden aber offenbar weiter Konvente von Schwestern, die nun aber meist nur noch als Hospitäler, Armenhäuser oder nach den Stiftern einzelner Häuser benannt wurden. Über Maßnahmen gegen einzelne Konvente sind in norddeutschen Städten keine Nachrichten bekannt. Von 1354 ist ein päpstlicher Schutzbrief für Beginen in Pommern erhalten, der dieses Gebiet möglicherweise auch zum Zufluchtsgebiet für andere Schwestern machte.

Im 15. Jahrhundert schlossen sich einige Konvente als Tertiarinnen formal städtischen Bettelordensklöstern an, wobei die Bezeichnungen dabei teilweise wechselten. Im 16. Jahrhundert erschienen wieder häufiger die Bezeichnungen als Beginen, offenbar war dies nach der Einführung der Reformation in den Städten unbedenklich möglich. Einige Konvente bestanden noch mehrere Jahrhunderte und führten dann meist vor allem Armenhäuser.

In den wichtigsten norddeutschen Städten bestanden mehrere Beginenkonvente. Diese lebten in jeweils einem Haus, das oft von einer Privatperson gestiftet worden war. Sie bestanden meist in der Nähe von Bettelordensklöstern oder Stadtkirchen, von denen sie geistliche und strukturelle Unterstützung erhielten.

Die Konvente waren unabhängig, sie unterstanden keinen übergeordneten Strukturen, sie wurden aber meist vom Rat der Stadt oder von geistlichen Amtsträgern wie dem Bischof kontrolliert. Sie lebten nach Regeln, die durch ein jährliches Versprechen von den Schwestern akzeptiert wurden. Dazu gehörten Ehelosigkeit und regelmäßige geistliche Übungen. Aus Stralsund (1332), Hamburg (1360), Lübeck (1438) und weiteren norddeutschen Städten sind Statuten erhalten, in denen weitere Einzelheiten festgelegt wurden.[1][2] Diese galten ähnlich auch in anderen Konventen.

Die Schwestern lebten ein Leben in Armut und mit Tätigkeiten für Arme, Kranke und Sterbende, oft in Siechenhäusern oder Hospitälern für ansteckende Krankheiten außerhalb der Städte, sie versahen auch den Totendienst. Sie erhielten einige Spenden und verrichteten Handarbeiten oder anderen praktischen Tätigkeiten für den Lebensunterhalt.

Die Beginen müssen im Mittelalter von den Schwestern vom gemeinsamen Leben unterschieden werden, die eine ähnliche Lebensweise führten (z. B. St. Michaelis in Lübeck, St. Annen in Stralsund).

Seit dem 14. Jahrhundert sind Kritiken am Leben einiger Beginen erhalten, die nicht nach den Regeln der Zurückgezogenheit und Demut lebten. Seit dem 15. Jahrhundert lockerten sich offenbar allgemein die Lebensformen in vielen Beginenkonventen, auch in norddeutschen Städten.[3]

Einzelne Städte

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Erhaltene Beginenhäuser

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Die einzigen erhaltenen mittelalterlichen Beginenhäuser im norddeutschen Raum sind der Aegidien-, der Kranen- und der Attendornkonvent in Lübeck. Das Alte Dom-Beguinen-Haus in Havelberg stammt dazu möglicherweise aus dem 16. Jahrhundert (?).

Bremen und Hamburg

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Kranen-Konvent in Lübeck
Bremen
  • Beginenkonvent beim Dominikanerkloster St. Katharinen, kurz vor 1258 erstmals erwähnt
  • Beginenkonvent bei der Stadtkirche St. Nikolai
Hamburg
  • Konvent in der Steinstraße bei St. Jacobi, spätestens ab 1255, Ordnung von 1360 erhalten[4]
  • Konvent am Pferdemarkt, bestand 1303, war aber 1356 schon wieder verschwunden[5]
  • wahrscheinlich weitere Konvente

Schleswig-Holstein

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In Schleswig-Holstein sind Beginen bisher nur in drei Orten bekannt.[6]

Lübeck

In Lübeck gab es fünf Beginenkonvente[7][8][9]

  • Aegidienkonvent, an der St. Annen-Straße, ab 1270; Gebäude von 1301 (im Kern) wahrscheinlich ältestes erhaltenes Beginenhaus in Deutschland !
  • Johannis-Konvent, ab 1270
  • Kranen-Konvent, ab 1285, mittelalterliches Gebäude erhalten
  • Krusen-Konvent
  • Katharinen-Konvent oder Attendorn-Konvent in der Glockengießerstraße 4, historisches Gebäude ist erhalten

Weitere Städte

In Niedersachsen gab es über 50 Konvente von Beginen.[10]

Braunschweig
  • Beginen am Heiliggeist-Hospital
  • Beginenhaus am Petrikirchhof
  • Alter Konvent
  • St. Annenkonvent oder Veltenkonvent
  • Neuer oder Huneborstelscher Konvent
  • Lessen-Konvent
  • Steinkammer
  • Großes von Dammsches Beginenhaus
  • Ursleve-Konvent
  • Beginenhaus am Magnikirchhof
  • Kleines von Dammsches Beginenhaus
  • St. Annen-Konvent auf dem Werder
  • Giebel-Konvent auf dem Werder
  • Beginenhaus bei St. Jodoci
  • Riekensches Beginenhaus
  • Schadenkonvent
  • Döringsches Beginenhaus
  • Beginenhaus St. Johannis
  • Beginenhaus St. Antonii et Christophori
  • Beginenhaus St. Elisabeth
  • Herrendorfkonvent
  • Strombecksches Beginenhaus
  • St. Leonhard
Osnabrück
  • Großes Schwesternhaus/Domschwesternhaus
  • Großes Schwesternhaus bei St. Johann
  • Domschwesternhaus
  • Schwesternhaus bei Johann
  • Hospitalschwestern Heiliggeist
  • Beginen tom Broke
  • Beginen bei den Dominikanern
  • Beginen am Offerhus
  • Beginen Menslage
  • Beginen zu Springe
  • Beginenhaus Haltering
  • Beginenhaus Bloming, später Franziskaner-Terziarinnen
  • Beginen im Lulsusterhaus
Weitere Städte

meist mit einem bekannten Konvent

In Mecklenburg sind Konvente in bisher zehn Orten bekannt, am meisten in Wismar mit drei.[11]

zwei Konvente[12]

Beginen-Hospital St. Georg vor dem Mühlentor, (wahrscheinlich noch Gewölbereste erhalten)[13]

drei Konvente, heute Beguinenstraße[14][15]

ein Konvent bekannt[16]

Armenhaus auf der Beginen-Stiege, seit dem 14. oder 15. Jahrhundert, um 1540 noch zwei Beginen, dann erneuert als Armenhaus[17]

ein Beginenkonvent am St. Georgs Stift, mit Besitz der Begginen wische (Beginenwiese, 1622 erwähnt) und Baginen...[18]

Flurname Beginenwerder

Beginen beim Franziskanerkloster, 1346 platea baginarum[19], 1612 noch Beginen erwähnt[20], heute Beguinenstraße

Ackername Beguinenstück[21]

Lullsustern (= Lollardenschwestern) erwähnt

In Vorpommern sind bisher in sechs Orten Beginenkonvente bekannt[22]

  • Stralsund
    • großer Beginenkonvent beim Dominikanerkloster St. Katharinen, mit etwa 30 Plätzen, 1282 erste Begine erwähnt, 1306 erstmals der Konvent, 1332 Beginenordnung erhalten
    • kleiner Beginenkonvent beim Franziskanerkloster St. Johannis, etwa 12–14 Plätze, um 1350 erstmals erwähnt
    • Konvent in der Mühlenstraße, um 1350, möglicherweise wegen der Pest, nur kurze Zeit erwähnt[23][24]

ein Großer und ein Kleiner Konvent, jeweils in der Rakower Straße[25]

Beginenhaus auf dem Rosengarten, mindestens bis in das 18. Jahrhundert[26]

Baginen Gilde Hoff, 1532 erwähnt, mit Vorsteher[27]

historischer Straßenname bagginen stige (Beginenstiege)

Beginenberg als erhaltener Flurname

West- und Ostpreußen

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In den wichtigsten west- und ostpreußischen Städten gab es Beginenkonvente

  • Danzig, in der Junkergasse (jetzt ul. Pańska), am Dominikanerkloster St. Nicolai; 2022 bei archäologischen Ausgrabungen Grundmauern gefunden[29]

Im Territorium des Deutschen Ordens im Baltikum sind zwei deutschsprachige Beginenkonvente in den wichtigsten Städten Riga und Reval (Tallinn) bekannt.[32][33]

Einzelnachweise

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  1. Günter Peters: Norddeutsches Beginen- und Begardenwesen im Mittelalter. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. 40/41, 1969/70. S. 50–118, hier S. 61
  2. Pommersches Urkundenbuch, Band VIII, Nr. 5001; mit Text der Beginenordnung von Stralsund 1332
  3. Günter Peters: Norddeutsches Beginen- und Begardenwesen im Mittelalter. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. 40/41, 1969/70. S. 50–118, hier S. 67; auch Frank-Michael Reichstein: Das Beginenwesen in Deutschland, 2. Auflage, 2017
  4. Grafen Johann I. und Gerhard I., schenkten ein Grundstück im St.-Jakobi-Kirchspiel. Die Beginenordnung von 1360, die wohl im Zusammenhang damit entstand, dass das Hamburger Domkapitel den Erzbischof von Bremen um Anerkennung des Konvents zum Schutz vor Verfolgung bat. wurde im 15. Jahrhundert mehrfach ergänzt.
  5. Katrin Knebel: Beginen in Hamburg. Universität Hamburg, abgerufen am 22. Juni 2022. zu den Beginenkonventen in Hamburg, besonders der Abschnitt 6.2.
  6. Frank-Michael Reichstein: Das Beginenwesen in Deutschland. 2. Auflage, 2017, S. 395, und Katalog der Konvente
  7. Julius Hartwig: Die Frauenfrage im mittelalterlichen Lübeck, in: Hansische Geschichtsblätter 14, 1908, S. 35–94, hier S. 80, 83 (PDF)
  8. Beginen, Ausstellungstafeln Frauen in Lübeck (PDF), mit kurzer Darstellung
  9. Günter Peters: Norddeutsches Beginen- und Begardenwesen im Mittelalter. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. 40/41, 1969/70. S. 50–118, hier S. 67 und öfter (PDF), erwähnte im 14. Jahrhundert dazu noch Terziarinnen !
  10. Niedersächsisches Klosterbuch, 4 Bände, 2016; auch in Niedersächsische Klosterkarte, unter Orden Beginen; mit einem kurzen Artikel zu jedem Konvent
  11. Reichstein, Beginenwesen, S. 395, und Konventsverzeichnisse
  12. Friedrich Wigger: Urkundliche Mittheilungen über die Beghinen- und Begharden-Häuser zu Rostock. In: Mitteilungen des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. 1882, S. 1–26 (lbmv.de [abgerufen am 22. Juni 2022])., besonders S. 5–7, 12f.
  13. Ludwig Fromm: Chronik der Haupt- und Residenzstad Schwerin, 1862, S. 218–219 und 498, als einziges bekanntes Beginenhaus in Schwerin.
  14. Friedrich Wigger: Urkundliche Mittheilungen über die Beghinen- und Begharden-Häuser zu Rostock, in: Mitteilungen des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, 1882, S. 1–26, hier S. 4f., 11, mit detailreichen Angaben, Wismar hatte wahrscheinlich bedeutendere Beginenkonvente als Rostock, da es hier kein Nonnenkloster gab
  15. Günter Peters: Norddeutsches Beginen- und Begardenwesen im Mittelalter. In: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte. 40/41, 1969/70. S. 50–118, hier S. 55, mit einigen Details
  16. Friedrich Wigger: Urkundliche Mittheilungen über die Beghinen- und Begharden-Häuser zu Rostock, in: Mitteilungen des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, 1882, S. 1–26, hier S. 11, mit Angaben aus historischen Texten
  17. Friedrich Johann Cleemann, Chronik und Urkunden der Mecklenburg-Schwerinschen Vorderstadt Parchim, 1825, S. 15, 335
  18. Neukalener Flurnamen, Nr. 48, 49, Stadt Neukalen
  19. Friedrich Wigger: Urkundliche Mitteilungen ..., 1882, S. 11; platea heißt Straße
  20. Mecklenburgisches Klosterbuch, Band 1, S. 583 (PDF, als Buchauszug), mit detaillierten historischen Quellen
  21. Peter Zeese: Flurnamen und Ortsbezeichnungen der Laager Gegend (= Laager Stadtgeschichten, 6) , S. 46 (PDF), ohne Ort und Jahr
  22. Reichstein, Beginenwesen, S. 395 und Konventsverzeichnisse, mit sechs Orten
  23. Ralf Lusiardi: Stiftung und städtische Gesellschaft, 2000, S. 89f.; mit präzisesten Angaben; dagegen ungenau Gunnar Möller: Klöster, Zisterzienserhöfe und Beginen in der einstigen Hansestadt Stralsund, in: Manfred Gläser (Hrsg.): Lübecker Kolloquien zur Stadtarchäologie im Hanseraum. IV. 2014. S. 309–332, hier S. 324f., mit Verwechslungen, vgl. richtig Lusiardi
  24. Hermann Hoogeweg: Die Stifter und Klöster der Provinz Pommern. Band 2. Stettin 1925, beschreibt Stift St. Annen, dieses waren aber wahrscheinlich Schwestern vom gemeinsamen Leben
  25. Theodor Pyl: Geschichte der Greifswalder Kirchen, Band 3, 1885, S. 1196–1198, mit detaillierten Angaben zu Beginenhäusern in Greifswald
  26. Historische Beschreibung der Stadt Alten Stettin in Pommern. Alten Stettin 1613, Der ander Theil, S. 38; ausführlicher in Ulica Podgórna, in Encyklopedia Pomorza Zachodniego (online)
  27. Wilhelm Carl Stolle: Beschreibung und Geschichte der (...) Hansestadt Demmin, 1772, S. 389
  28. Hellmuth Heyden: Kirchengeschichte Pommerns, 2. Auflage, 1957, S. 164, mit kurzen Angaben zu einigen Beginenkonventen in Vor- und Hinterpommern
  29. Über Ausgrabungen in Danzig Trojmiasto vom 22. April 2022 (deutsch)
  30. Max Toeppen: Elbinger Antiquitaeten, S. 184–186
  31. Walther Franz: Die Beguinen in Königsberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Ost- und Westpreußen. 1. 1926. S. 53–55
  32. Joseph Girgensohn: Der Convent der Beguinen in Riga. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands. Riga 1890, S. 14–22 (zwei Digitalisate) ; detaillierte Geschichte
  33. Paul Johansen, Heinz von zur Mühlen: Deutsch und Undeutsch (...). Böhlau, Köln, Wien 1973, S. 79; auch K.-R. Hahn: Revaler Testamente im 15. und 16. Jahrhundert, Lit Verlag Berlin, 2015, S. 255; mit kurzen Ergänzungen; über Revaler Beginen gibt es nur kurze Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert