Burggrafschaft Worms

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Die Burggrafschaft Worms war ein mittelalterlicher Herrschaftsbezirk des Hochstifts Worms, der die Stadt Worms und die unmittelbar bei der Stadt liegenden sogenannten Rheindörfer umfasste. Die Burggrafschaft war der Amtsbezirk des Burggrafen (comes civitatis, prefectus urbis)[1], der als edelfreier Lehnsmann des Wormser Bischofs für die Befestigung und Verteidigung der Stadt zuständig war.[2] Mit dem Amt des Burggrafen war der Burgbann verbunden, durch den die Einwohner der Stadt und des Umlands zur Errichtung und Instandhaltung der Befestigung, dem sogenannten Burgwerk, aufgeboten wurden.[3][4] Zu den wichtigsten Kompetenzen des Burggrafen gehörte außerdem das Stangenrecht.[5][6] Vermutlich bestand ein Zusammenhang zwischen der Burgwerk-Pflicht der Umlanddörfer und ihrer Befreiung vom städtischen Pfortenzoll.[7][8] Ob auch die Allmend-Rechte der Rheindörfer an Bürgerweide und Bürgerfeld auf die Zugehörigkeit zum Burgbann zurückgehen, ist ungewiss.[9][10][11] In Worms waren die Burggrafen seit der ersten Nennung im Jahr 1106 gleichzeitig die edelfreien Obervögte des Hochstifts. Die Verbindung der beiden Ämter endete zwischen 1166 und 1174 mit Übertragung der Obervogtei an den Pfalzgrafen Konrad. In der Stadt Worms mussten die Burggrafen ihre wichtigsten Rechte im 13. Jahrhundert aufgeben. In den Wormser Rheindörfern konnten die Grafen von Zweibrücken ihre ursprünglich aus dem Burggrafenamt stammenden Herrschaftsrechte bis ins 14. Jahrhundert bewahren.

Die Bischöfe von Worms hatten seit der fränkischen Zeit durch königliche Schenkungen nach und nach bedeutenden Grundbesitz in der Stadt Worms und im unmittelbaren Umland der Stadt erhalten. Die Domkirche war schon in fränkischer Zeit ein Immunitätsbezirk, der der Gerichtsbarkeit des Grafen entzogen war. Ausgehend von Grundherrschaft und Immunität konnte der Bischof in ottonischer Zeit weitere Hoheitsrechte in der Stadt erwerben. Inhaber der Grafschaft mit der hohen Gerichtsbarkeit außerhalb der Dom-Immunität blieben aber die in Worms residierenden salischen Herzöge. Erst die Bischöfe Hildibald (979–998) und Burchard I. (1000–1025) konnten auch die Grafenrechte in der gesamten Stadt und ihrem unmittelbaren Umland weitgehend an sich bringen. Die niedere und hohe Gerichtsbarkeit wurde nun vom bischöflichen Vogt wahrgenommen.[12] Lediglich die Blutgerichtsbarkeit verblieb auch weiterhin beim Grafen.[13][14] Ein Burggraf von Worms wird erstmals 1106 erwähnt. Das Amt dürfte aber älter sein.[15][16] Der erste bekannte Burggraf und Wormser Obervogt war Graf Werner IV. von Grüningen und Maden. Als er 1121 ohne männliche Nachkommen starb, folgte ihm Graf Simon I. von Saarbrücken. Zwischen 1166 und 1174 – vermutlich 1168 – musste Simon von Saarbrücken die Wormser Obervogtei an Pfalzgraf Konrad von Staufen, den Halbbruder Barbarossas, abgeben.[17][18] Die Burggrafschaft wurde dabei aus dem Vogteigebiet herausgelöst.[19][20][21] Bei der Teilung im Saarbrücker Haus 1182/1190 kam die Burggrafschaft an die neugebildete Grafschaft Zweibrücken. Die Zweibrücker Grafen verwendeten den Titel eines Wormser Burggrafen nicht mehr,[22] behaupteten aber in den meisten Dörfern der Burggrafschaft ihre Herrschaft. Die Zweibrücker erwarben im 13. Jahrhundert im Kondominat mit dem Hochstift die Landesherrschaft in siebzehn Rheindörfen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts war ihre Herrschaft auf neun Rheindörfer zusammengeschrumpft.[23][24][25] In der Stadt Worms war die Wehrhoheit bis zum Ende des 13. Jahrhunderts vollständig vom bischöflichen Stadtherrn in die Hände der Stadtgemeinde übergegangen.[26][27] Die Burggrafen beanspruchten noch bis zum 14. Jahrhundert Rechte in der Stadt, konnten diese Befugnisse aber nur noch teilweise durchsetzen. Das Stangenrecht wurde 1262 an die Stadtgemeinde verkauft. 1370 verzichtete Graf Eberhard II. von Zweibrücken endgültig auf alle Rechte des Burggrafen in der Stadt.[28][29]

Burggrafen von Worms

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Burggraf von Worms Amtszeit Bemerkung
Graf Werner IV. von Grüningen und Maden[30][31][32] 1090 (?) – 1121 In Personalunion Obervogt des Hochstifts Worms
Graf Simon I. von Saarbrücken 1121 – 1182/1190 Obervogt des Hochstifts Worms bis 1166/1174[33]
Graf Heinrich I. von Zweibrücken 1182/1190 – 1228 Sohn von Simon I.
Graf Heinrich II. von Zweibrücken 1228 – 1281 Gibt 1262 das Stangenrecht auf – verbindet die Wormser Rheindörfer mit seiner Herrschaft Stauf[34]

Zur Burggrafschaft Worms gehörten die Stadt Worms und ihr unmittelbares Umland. Vermutlich waren es 17 links- und rechtsrheinische Dörfer bei der Stadt.[35] Aus einer Teilungsurkunde der Zweibrücker Grafen Eberhard I. und Walram I. aus dem Jahre 1305 geht hervor, dass damals noch 17 Rheindörfer („sibencen dorfer, die da ligent ume den Rin“[36]) zur Herrschaft Stauf gehörten.[37][38] Es sind aber nicht alle 17 Dörfer namentlich bekannt. Nur bei folgenden Rheindörfern ist die Zugehörigkeit zur Wormser Burggrafschaft gesichert:

In einer sehr späten Aufzeichnung von 1490 über Befreiungen vom Wormser Pfortenzoll[8], werden ebenfalls 17 Dörfer genannt[44]. Möglicherweise ist das ein „Nachhall der alten gegenseitigen Bindungen von Stadt und Umland“.[45]

  • Siegfried Rietschel: Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit in den deutschen Bischofsstädten während des früheren Mittelalters. Leipzig 1905 (hathitrust.org – Noch heute die massgebliche Untersuchung zum Charakter des Burggrafenamts in den Bischofsstädten).
  • Meinrad Schaab: Die Diözese Worms im Mittelalter. In: Freiburger Diözesan-Archiv. Band 86, 1966, S. 94–219 (uni-freiburg.de [PDF] Zur Bedeutung der Wormser Burggrafschaft bzw. "Stadtpräfektur" für die Ausbildung der Landesherrschaft im Umland von Worms).

Einzelnachweise

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  1. Heinrich Boos (Hrsg.): Urkundenbuch der Stadt Worms. Band 1. Berlin 1886 (Urkunden Nr. 59, 68, 69, 70, 71 und 82).
  2. Siegfried Rietschel: Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit in den deutschen Bischofsstädten während des früheren Mittelalters. Leipzig 1905, S. 122–134, 318–334 (hathitrust.org [abgerufen am 8. Februar 2016]).
  3. Franz Beyerle: Zur Wehrverfassung des Hochmittelalters. In: Festschrift Ernst Mayer (Würzburg) zum 70. Geburtstage. Weimar 1932, S. 31–91.
  4. Hermann Conrad: Deutsche Rechtsgeschichte. 2. Auflage. Band 1. Karlsruhe 1962, S. 265 f.
  5. Rietschel, Burggrafenamt, S. 130 f. u. S. 332.
  6. Thomas Zotz: Art. Burggraf. In: Albrecht Cordes u. a. (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2. Auflage. Band 1. Berlin 2008, Sp. 766–768.
  7. Gerold Bönnen: Stadttopographie, Umlandbeziehungen und Wehrverfassung: Anmerkungen zu mittelalterlichen Mauerbauordnungen. In: Michael Matheus (Hrsg.): Stadt und Wehrbau im Mittelrheingebiet. Stuttgart 2003, S. 21–45, darin S. 31–35, bes. S. 34.
  8. a b Stadtarchiv Worms 001B Nr. 1796: Salbuch der Kellereien Stein und Worms, 1490. Abgerufen am 8. Februar 2016. Darin fol. 60–61 Speyerer-, Andreas-, Martins- und Rheinpforte; Liste vom Pfortenzoll befreiter Orte (17 Dörfer im Umland).
  9. Heinrich Boos: Geschichte der rheinischen Städtekultur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart mit bes. Berücks. der Stadt Worms. Band 1. Berlin 1897, S. 248.
  10. Heinrich Boos: Geschichte der rheinischen Städtekultur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart mit bes. Berücks. der Stadt Worms. 2. Auflage. Band 3. Berlin 1899, S. 72–77.
  11. Bönnen, Stadttopographie, S. 31.
  12. Johann Lechner: Die älteren Königsurkunden für das Bistum Worms und die Begründung der bischöflichen Fürstenmacht. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Band 22, 1901, S. 361–419, 529–574, darin bes. S. 550 ff. (archive.org und archive.org).
  13. Hans Hirsch: Die hohe Gerichtsbarkeit im deutschen Mittelalter. 2. Auflage. Weimar 1958, darin S. 114–121 zum Diplom Heinrichs II. Nr. 319 (1014).
  14. Alois Seiler: Das Hochstift Worms im Mittelalter. Worms 1936, darin S. 17–27 und S. 31–36.
  15. Rietschel, Burggrafenamt, S. 122 f., 321, 326 f.
  16. Eine Urkunde (Urkundenbuch Worms Bd. 1 Nr. 43), die einen Wormser Burggrafen schon für 1016 nennt, ist eine Fälschung des 12. Jahrhunderts, vgl. Rietschel, Burggrafenamt, S. 122.
  17. Hans Werle: Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei im 12. Jh. In: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde. Jg. 21, 1954, S. 80–89, hier S. 82.
  18. Winfried Dotzauer: Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Frankfurt am Main 1992, S. 195.
  19. Werle, Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei, S. 80, 82 f.
  20. Meinrad Schaab: Die Diözese Worms im Mittelalter. In: Freiburger Diözesan-Archiv. Band 86, 1966, S. 94–219, darin S. 143 f., S. 148–151, bes. S. 149 f. (uni-freiburg.de [PDF]).
  21. Friedhelm Jürgensmeier (Hrsg.): Das Bistum Worms von der Römerzeit bis zur Auflösung 1801. Würzburg 1997, S. 39.
  22. Rietschel, Burggrafenamt, S. 124, 128.
  23. Schaab, Diözese Worms, S. 149–151.
  24. Meinrad Schaab: Territoriale Entwicklung der Hochstifte Speyer und Worms. In: Willi Alter (Hrsg.): Pfalzatlas. Textband 2. Speyer 1971, S. 760–780, darin S. 773, 775 f..
  25. Adolph Köllner: Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Boland und Stauf. Wiesbaden 1854, darin S. 144, 148 ff., 308 f., urn:nbn:de:bvb:12-bsb10019997-2.
  26. Gerold Bönnen (Hrsg.): Geschichte der Stadt Worms. Stuttgart 2005, S. 198 f.
  27. Sabine Happ: Stadtwerdung am Mittelrhein. Köln 2002, S. 118 f.
  28. Boos, Geschichte der rhein. Städtekultur, Bd. 2, S. 23, 140, 166 f.
  29. Rietschel, Burggrafenamt, S. 124, 128, 130–134.
  30. Werle, Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei, S. 80–82.
  31. Schaab, Diözese Worms, S. 149.
  32. Andreas Urban Friedmann: Die Beziehungen der Bistümer Worms und Speyer zu den ottonischen und salischen Königen. Mainz 1994, S. 140 f.
  33. Werle, Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei, S. 82 f.
  34. J[ohann] G[eorg] Lehmann: Kurze urkundliche Geschichte des gräflich zweybrückischen Hauses. München 1867, S. 17, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10333827-2.
  35. a b Schaab, Territoriale Entwicklung S. 775 f.
  36. Hermann Schreibmüller: Burg und Herrschaft Stauf in der Pfalz. 2. Teil: bis 1393. Kaiserslautern 1914 (dilibri.de [abgerufen am 12. Februar 2016] Urkundenbeilagen Nr. 2, S. 23 f. (Zitat S. 23)).
  37. a b Schaab, Diözese Worms, S. 150 f.
  38. Köllner, Kirchheim-Boland und Stauf, S. 144.
  39. Heute an dieser Stelle der Littersheimerhof (nordöstlich von Bobenheim). Georg Biundo: Bobenheim-Roxheim. Aus der Geschichte einer Großgemeinde. o. O. [Bobenheim-Roxheim] 1973, Littersheim, S. 433 ff.
  40. Köllner, Kirchheim-Boland und Stauf, S. 308 ff.
  41. Kriegsheim wird 1137 (Urkundenbuch Worms, Bd. 1, Nr. 64) als „in comitatu praefecturae civitatis nostrae sitam“ bezeichnet. Es ist aber unklar, wie das zu verstehen ist und ob Kriegsheim tatsächlich zur Burggrafschaft gehört hat, vgl. Rietschel, Burggrafenamt S. 126 f. Schaab, Territoriale Entwicklung, S. 776 zählt Kriegsheim zu den Dörfern der Burggrafschaft.
  42. Schaab, Territoriale Entwicklung, S. 777.
  43. Neckarau war zwar ein Wormser Lehen des Burggrafen Werner IV. von Grüningen und Maden (vgl. Werle, Studien zur Wormser und Speyerer Hochstiftsvogtei, S. 81 f.), gehörte aber nicht zu den Rheindörfern und zur Burggrafschaft.
  44. Siehe auch die Liste der 1490 vom Zoll befreiten Dörfer bei Wilhelm Müller: Zur Geschichte der Wormser Zölle. In: Vom Rhein. Band 13, April, 1914, S. 30–32, Kap. 2. Der Tarif des Gefällregisters von 1490, I. Von den Zollen, hier S. 32 mit Anm. 14 (worms.de [PDF; 74,8 MB; abgerufen am 27. September 2021]).
  45. Bönnen, Stadttopographie, S. 34.