Johann Neudörffer der Ältere

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Bildnis des Nürnberger Schreibmeisters Johann Neudörffer und eines Schülers, von Nicolas Neufchâtel, Nürnberg um 1561

Johann Neudörffer der Ältere (* Oktober 1497 in Nürnberg; † 12. November 1563 ebenda) war ein deutscher Schreib- und Rechenmeister in Nürnberg.

Neudörffer war der bedeutendste und einflussreichste Schriftmeister (zeitgenössisch: „Modist“) seiner Zeit. Als solcher hatte er einen entscheidenden Anteil an der Entstehung der deutschen Frakturschrift und übte als Verfasser grundlegender Lehrbücher einen starken kunstpädagogischen Einfluss auf Schüler aus dem gesamten deutschen Sprachgebiet aus. Die hohe Wertschätzung, die Neudörffer bereits zu Lebzeiten genoss, spiegelt sich unter anderem in der Tatsache wider, dass er von Albrecht Dürer beauftragt wurde, die Texte auf dessen Apostel-Bildern zu schreiben.

Neudörffer war der Sohn des Nürnberger Kürschners Stephan Neudörffer, eines im Rahmen seiner Geschäfte weitgereisten Mannes. Als seine Lehrer im Schreiben und Rechnen gibt er selbst[1] Caspar Schmidt, den Schwiegervater und späteren Testamentsvollstrecker des berühmten Bildschnitzers Veit Stoß, sowie den Kanzleischreiber Paulus Vischer an.

Mit seinem Buch Fundament … seinen schülern zu einer unterweysung gemacht veröffentlichte Neudörffer bereits als Zweiundzwanzigjähriger das erste Schreibmusterbuch nördlich der Alpen. Dieses kurze und heute nur noch in wenigen Exemplaren überlieferte Werk besteht aus vier einseitig mit Holzschnitten bedruckten hochformatigen Folioblättern, auf denen Neudörffer anhand verschiedener Textbeispiele in das Schreiben von Kurrent- und Frakturschriften einführt. Mit diesem Musterbuch schuf Neudörffer die Grundlage für die bis ins 19. Jahrhundert vorherrschende deutsche Druckschrift, die Fraktur, und trug gleichzeitig zur Entwicklung der deutschen Schreibschrift bei.

Das Titelblatt von Neudörffers 1538 erschienenem Hauptwerk

1538 erschien Neudörffers Hauptwerk Gute ordnung und kurzer Unterricht … Zierlichs schreybens. Die darin enthaltenen Beispiele entstammen der praktischen Unterrichtstätigkeit Neudörffers, der in seinem Haus ein Internat für auswärtige Schüler eingerichtet hatte. Das Buch beginnt mit Federübungen, denen Neudörffer großen Wert vor der Einübung erster Buchstaben beimisst: Wann man nun mit rechter ordnung handeln wolt, so mest man einen leer Junngen mit ubunng diser linien unnd flechzügen, ehe dann er ainischen Buchstabenn machenn lernnete, wol abrichten und leufftig machen.[2] Im Gegensatz zu den Büchern anderer Schreibmeister ist der erklärende Text bei Neudörffer auf das Nötigste beschränkt; stattdessen steht die praktische Übung im Vordergrund. Dies gilt auch für die sogenannten „Zerthailungen“, mit denen Neudörffer die genetische Entwicklung der Schrift demonstriert und sie gleichzeitig zur praktischen, handwerklichen Übung macht. Werner Doede bewertet dies als „eine echt künstlerische Pädagogik, welche die zu Bildenden vermittels des Selber-bilden-lernens ins Bild setzen, sie zu ›Gebildeten‹ erziehen will“.[3] Neben einer als Manuskript für die radierten Kupfertafeln des Bandes dienenden Handschrift auf Pergament (heute in der Stadtbibliothek Nürnberg als Hert. Mss. 23b) sind nur noch wenige von Neudörffer selbst hergestellte Drucke erhalten. Diese schwanken in ihrem Umfang, da Neudörffer die Exemplare nach Bedarf druckte und ihren Inhalt immer wieder anpasste und veränderte.

1544 veröffentlichte Neudörffer ein dünnes Heft im Quartformat mit dem Titel Anweisung und eigentlicher Bericht, wie man einen jeden Kiel zum Schreiben erwählen, bereiten, teilen, schneiden und temperieren soll und 1549 das Buch Gesprächbüchlein zweier Schüler, wie einer den andern im zierlichen Schreiben unterweist. Letzteres war zunächst für den Unterricht seiner Söhne bestimmt, wurde dann aber auf Bitten von Neudörffers Schwager Johann Petrejus, einem Buchdrucker, veröffentlicht. Neudörffers im Oktober 1547 – angeblich innerhalb von acht Tagen „bei der Nachtzeit“ – entstandenes Buch Nachrichten von den vornehmsten Künstlern und Werkleuten, so innerhalb hundert Jahren in Nürnberg gelebt haben enthält Informationen zu 79 Nürnberger Bürgern und ist nicht nur für die Stadtgeschichte Nürnbergs, sondern darüber hinaus auch für die Kunstgeschichte von großer Bedeutung. Auch dieses Werk war von Neudörffer nicht für den Druck bestimmt und erschien erst 1822 in den Beiträgen zur Kunst- und Litteraturgeschichte Joseph Hellers und sechs Jahre später in einer von Friedrich Kampe herausgegebenen Ausgabe.

In seinem letzten Lebensabschnitt beschäftigte Neudörffer sich – basierend auf einer Ausbildung bei dem Kartographen Erhard Etzlaub zum Rechenmeister – verstärkt mit Fragen der Arithmetik und Geometrie. Mathematische Schriften Neudörffers sind allerdings nicht bekannt. Die Behauptung, das 1598 von seinem Schüler Caspar Schleupner veröffentlichte Rechenbuch Rechenbüchlein Auff der Linien. Gesprech weis gestellt (VD 16 S 2993) sei nach einem Manuskript Neudörffers gedruckt worden, ist nicht belegbar.

Familie

Neudörffer war zweimal verheiratet. Zunächst seit ungefähr 1522 mit Magdalena, der Witwe des 1518 verstorbenen Meistersingers Hans Schellmann und seit ungefähr 1542 mit Katharina († 26. Dezember 1568), der Witwe des Goldschmieds Hans Sidelmann. Nach seinem Tod im Alter von 66 Jahren wurde er auf dem Nürnberger Johannisfriedhof beigesetzt. Von seinen Söhnen trat Johann Neudörffer der Jüngere sein Erbe als Schriftmeister an, reichte aber nicht an die Leistungen seines Vaters heran.

Ehrungen

Die Johann-Neudörffer-Straße in Bremen-Oberneuland wurde 2000 nach ihm benannt.

  • Johann Neudörffer, Andreas Gulden: Des Johann Neudörfer, Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg, Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547, nebst der Fortsetzung des Andreas Gulden. Nach den Handschriften und mit Anmerkungen hrsg. von Georg Wolfgang Karl Lochner, Neudruck der Ausgabe Wien 1875, Zeller, Osnabrück 1970.
Commons: Johann Neudörffer der Ältere – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. In seiner 1547 erschienenen Schrift Nachrichten von den vornehmsten Künstlern und Werkleuten.
  2. Zitiert nach Doede: Schön schreiben, eine Kunst, München 1957, S. 21.
  3. Doede: Schön schreiben, eine Kunst, München 1957, S. 21.