Kalanos

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Kalanos († 323 v. Chr.) war ein indischer Philosoph der Antike. Er war ein Asket (von den Makedonen Gymnosophisten, „nackte Weise“, genannt), dem Alexander der Große auf seinem Feldzug nach Indien begegnete. Kalanos schloss sich dem Alexanderzug für mehrere Jahre an. Seine Selbstverbrennung hinterließ einen tiefen Eindruck bei den Makedonen und hinterließ, vermittelt über die Alexanderhistoriker, Spuren in der griechischen und späteren Literatur.

Der wirkliche Name des Kalanos ist unsicher. Plutarch behauptet, er habe in Wahrheit Σφίνης (Sphines) geheißen und sei von den Makedonen Kalanos genannt worden, weil er nach indischer Sitte zur Begrüßung καλέ (Kala) gesagt habe.

Im Frühling 326 v. Chr. traf das Heer Alexanders, das auf einem seit 334 v. Chr. andauernden Feldzug gegen das Perserreich mittlerweile bis nach Nordindien vorgedrungen war, in der indischen Stadt Taxila in der Satrapie Gandhara ein. Über die Begegnung mit Alexander gibt es verschiedene Versionen. Laut dem Bericht des Onesikritos, der Alexander begleitete und später einen Bericht über die Reise verfasste, hörten Alexanders Männer in Taxila von einer Gruppe nackter Asketen (von den Makedonen deshalb „Gymnosophisten“ genannt), die sich außerhalb der Stadt aufhielten. Alexander schickte seinen Offizier Onesikritos zu der Höhle, um mit ihnen zu sprechen. Laut Onesikritos kasteiten sich Kalanos und seine Gemeinschaft, indem sie nackt in der heißen Sonne ausharrten; Kalanos selbst lag zusätzlich auf einem heißen Stein.

Dandamis war der Führer (laut Arrian der Älteste) der Gruppe der Asketen, die anderen seine Schüler. Laut Arrian war Alexander viel daran gelegen, dass einer der Männer mit ihm kommen sollte, weil er ihre Selbstbeherrschung bewunderte. Dandamis weigerte sich jedoch und verbot auch den anderen, Alexander zu begleiten. Nur Kalanos schloss sich dem Zug offenbar freiwillig an, wofür er von den anderen getadelt wurde, weil er damit einem anderen Herrn als nur Gott folgte.[1]

Einige Zeit später wurde Alexander von seinem Heer dazu gezwungen, nach Persien zurückzukehren. Als das Heer Persien erreichte, war Kalanos erkrankt und hatte angesichts eines langsamen Dahinsiechens beschlossen, seinem Leben durch Selbstverbrennung ein Ende zu bereiten.[2] Alexander versuchte ihn von seinem Plan abzubringen; als das aber scheiterte, ließ er selbst einen Scheiterhaufen für Kalanos bauen und beauftragte Ptolemaios, seinen Leibwächter, mit der Durchführung der Verbrennung. Kalanos verbrannte sich, um seinen spirituellen Weg zu vollenden, angesichts des ganzen makedonischen Heers, wahrscheinlich in Susa.[3] Dabei sang er indische Hymnen. Die Ruhe und Entschlossenheit, die er dabei an den Tag legte, beeindruckte zahlreiche makedonische Beobachter.[4] Angeblich sagte er Alexander kurz vor seinem Tod voraus, dass er ihn bald in Babylon sehen würde.[5] Tatsächlich starb Alexander drei Monate später in Babylon.

Sein ihm von Alexander zur Verfügung gestelltes Pferd vermachte Kalanos seinem Schüler, dem General Lysimachos.[6] Alexander veranstaltete Kalanos zu Ehren einen Agon, bei dem sich der Soldat Promachos, der das Wetttrinken gewonnen hatte, eine tödliche Alkoholvergiftung zuzog.

Quellen und Forschungsprobleme

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Unser Wissen über die Lehre des Kalanos beruht ausschließlich auf makedonischen Berichten vom Alexanderzug (siehe Alexanderhistoriker) und den auf ihnen basierenden Beiträgen griechischer und römischer Autoren. Besonders wichtig für die Rezeption ist der Bericht des Onesikritos, der Kalanos wohl persönlich begegnete. Da Onesikritos selbst kynischer Philosoph war, ist aber umstritten, inwieweit er Kalanos und den anderen indischen Weisen vielleicht nur kynische Lehren unterschob, um ihnen durch eine außergriechische Quelle mehr Autorität zu verleihen. Während die ältere Forschung den Bericht des Onesikritos über die Lehren der Brahmanen für weitgehend erfunden hielt,[7] wird in neuerer Zeit verstärkt argumentiert, der Bericht sei durchaus als authentisch einzustufen, weil er tatsächlich aus der indischen Tradition bekannte Ideen beinhalte.[8]

Kalanos präsentierte Onesikritos die Idee, dass in alten Zeiten paradiesische Zustände mit Milch, Honig und Wein in Fülle geherrscht hätten. Gott habe jedoch gemeint, dass die Menschen so arrogant geworden seien, und habe die Fülle zerstört. Danach hätten sich die Menschen im Verzicht geübt, aber gerade jetzt sei wieder das Ende von friedlichen und üppigen Zeiten gekommen.[9]

Offenbar war Kalanos der Meinung, Philosophen könnten an der Politik teilnehmen und Ratgeber von Königen sein. Nearchos, ein Admiral Alexanders, der ebenfalls einen Bericht über den Feldzug verfasste, wies darauf hin, dass dies unter indischen Brahmanen allgemein üblich war.[10] In der indischen Tradition, etwa in der Arthasastra, werden solche Weisen zuweilen als Purohita beschrieben.[11]

  • Georgios T. Halkias: The Self-Immolation of Kalanos and Other Luminous Encounters Among Greeks and Indian Buddhists in the Hellenistic World. In: Journal of the Oxford Center for Buddhist Studies. Band 8, 2015, S. 163–186 (online).
  • Aleksandra Szalc: Indian Philosophers and Alexander the Great – Reality and Myth. In: Kai Ruffing, Kerstin Dross-Krüpe, Sebastian Fink, Robert Rollinger (Hrsg.): Societies at War: Proceedings of the Tenth Symposium of the Melammu Project Held in Kassel September 26–28 2016 & Proceedings of the Eight Symposium of the Melammu Project Held in Kiel November 11–15 2014 (= Melammu Symposia. Band 10). Austrian Academy of Sciences Press, Wien 2020, S. 575–592.
Commons: Kalanos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Arrian, Anabasis 7,2. Für letzteres beruft sich Arrian auf Megasthenes.
  2. James Romm: Der Geist auf dem Thron. Der Tod Alexanders und der mörderische Kampf um sein Erbe. C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68803-4, S. 24.
  3. Strabon 15,1 spricht von Pasargadae; Aelian, Varia historia 5,6 spricht von Babylon; Diodor 17,107 dagegen von Susa. Letzteres erscheint deshalb wahrscheinlich, weil auch Nearchos anwesend war.
  4. Die ganze Geschichte der Selbstverbrennung bei Arrian, Anabasis 7,3; Indica 10.
  5. Plutarch 69; Cicero, de divinatione 1,47 (nach Poseidonios); daraus Valerius Maximus 1,8 ext. 10.
  6. Arrian, Anabasis 7,3,4.
  7. Vgl. z. B. Wilhelm Kroll: „Zur Ausschmückung des Tatbestandes hat außer der Fabelsucht vieler Alexanderhistoriker namentlich die kynische Tendenz des Onesikritos beigetragen. So ist alles, was über die Lehren und Aussprüche des K. und seine Minderwertigkeit im Vergleich zu Dandamis, besonders auch seine ἀκρασία erzählt wird, für erlogen zu halten.“ Wilhelm Kroll: Kalanos. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band X,2, Stuttgart 1919, Sp. 1544–1546, hier Sp. 1546. Ausführlich Ulrich Wilcken: Alexander der Große und die indischen Gymnosophisten. In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften; Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 19. Juli 1923. Band 23, 1923, S. 150–183.
  8. Vgl. Richard Stoneman: Marc Steinmann: Alexander der Große und die „nackten Weisen“ Indiens. Der fiktive Briefwechsel zwischen Alexander und dem Brahmanenkönig Dindimus. In: Sehepunkte 13 (2013), Nr. 4, 31. Mai 2013; Richard Stoneman: Naked Philosophers: The Brahmans in the Alexander Historians and the Alexander Romance. In: The Journal of Hellenic Studies. Band 115, 1995, S. 99–114; Richard Stoneman: Alexander the Great. A Life in Legend. Yale University Press, New Haven 2008, ISBN 978-0-300-11203-0, S. 94; Aleksandra Szalc: Alexander’s dialogue with Indian Philosophers: Riddle in Greek and Indian Tradition. In: Eos. Band 98, 2011, S. 7–25 (online); Aleksandra Szalc: Indian Philosophers and Alexander the Great – Reality and Myth. In: Kai Ruffing, Kerstin Dross-Krüpe, Sebastian Fink, Robert Rollinger (Hrsg.): Societies at War: Proceedings of the Tenth Symposium of the Melammu Project Held in Kassel September 26–28 2016 & Proceedings of the Eight Symposium of the Melammu Project Held in Kiel November 11–15 2014 (= Melammu Symposia. Band 10). Austrian Academy of Sciences Press, 2020, S. 575–592.
  9. Brill’s New Jacoby 134 F17(?)
  10. Nearchos nach Strabon (Brill’s New Jacoby 133 F23).
  11. Aleksandra Szalc: Indian Philosophers and Alexander the Great – Reality and Myth. In: Kai Ruffing, Kerstin Dross-Krüpe, Sebastian Fink, Robert Rollinger (Hrsg.): Societies at War: Proceedings of the Tenth Symposium of the Melammu Project Held in Kassel September 26–28 2016 & Proceedings of the Eight Symposium of the Melammu Project Held in Kiel November 11–15 2014 (= Melammu Symposia. Band 10). Austrian Academy of Sciences Press, Wien 2020, S. 575–592, hier S. 582.