Liste verschollener Romane

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Liste verschollener Romane enthält eine chronologische Auflistung von bereits als Manuskript verschollenen weitgehend abgeschlossenen Romanen und Novellen von Autoren der Weltliteratur. Die Ursachen der Verluste sind mannigfaltig und rangieren zwischen Unachtsamkeit und Zensur. Erfasst werden mitunter auch verschollene oder zerstörte Werke, die von ihren Autoren ein zweites Mal aus dem Gedächtnis geschrieben wurden. Ebenso sind Werke aufgeführt, deren Existenz lediglich durch eine Behauptung des Autors belegbar sind.

Zeitpunkt des Verlustes Autor Titel Art des Verlustes
1675 René Descartes Olympica Das verloren gegangene Manuskript der Olympica wurde zuletzt 1675 von Leibnitz exzerpiert.[1]
1775 José Cadalso La Linterna mágica Das Manuskript zu einem satirischen utopischen Roman ging 1775 bei der Übersendung an den Verleger Meléndez Valdés zusammen mit den Manuskripten einer Abhandlung und einer Tragödie verloren.[2]
1796 E. T. A. Hoffmann Der Geheimnisvolle Das Manuskript zu E. T. A. Hoffmanns 1795–1796 entstandenem ersten Roman ging zu einem unbekannten Zeitpunkt verloren.[3]
1803 Heinrich von Kleist Titel unbekannt Das Manuskript des fast vollendeten Trauerspiels Robert Guiskard und neben anderen Papieren wohl auch das Manuskript eines autobiographischen Romans wurden von Kleist nach eigenen Angaben in Paris zerstört.[4]
1807 Marquis de Sade Les Journees de Florbelle Das 6000 Seiten starke Manuskript des letzten Romans von de Sade wurde im Beisein seines Sohnes im Hofe der Anstalt von Charenton verbrannt.[5]
1807 Lord Byron ohne Titel Lord Byron versuchte viermal eine Novelle oder einen Prosatext zu verfassen. Byron verbrannte 1807 eine 214-seitige Novelle.[6]
1813 Lord Byron ohne Titel Lord Byron verbrannte 1813 einen abgeschlossenen autobiografischen Roman. Der Titel ist nicht überliefert.[7]
1825 Nathaniel Hawthorne Seven Tales of my native Land Hawthorne vernichtete seine wohl durch eine Rahmenhandlung verbundene Novellensammlung nach der Ablehnung durch Verleger. Möglicherweise wurden einige Inhalte in späteren Novellen wieder verwendet.[8]
1828 Alphonse Rabbe La Soeur grise Nach Rabbes eigenen Angaben wurde das unveröffentlichte Manuskript gestohlen, wenn auch seine Existenz von einigen Biographen wegen einer luetisch bedingten Hirnleistungsschwäche Rabbes in Zweifel gezogen wurde.[9]
1832 Marquis de Sade ohne Titel Im Hof der Polizei von Paris wurde ein weiteres Romanmanuskript de Sades in Anwesenheit seines Sohnes Claude-Armand de Sade verbrannt.[10]
1833 Karl Schall ohne Titel Karl Schall behauptete in seinen letzten Lebensjahren, einen komischen Roman verfasst zu haben und regelte den Vorabdruck der ersten Kapitel mit der Redaktion „des Freymütigen“ vertraglich. Gleichwohl wurde nach dem Tod Schalls 1833 unter den nachgelassenen Papieren und Notizen keine einzige Zeile des Romans gefunden, der daher von einigen Biographen als imaginär angesehen wird.[11]
1840 Wilhelm Waiblinger Lord Lilly Das Manuskript des 1823–1825 verfassten Romans wurde zuletzt 1840 Eduard Mörike vorgelegt, der vom Druck abriet.[12]
1840 Theodor Fontane Du hast recht getan! Fontanes erster naturalistischer Roman verfasst 1840 hat sich nicht erhalten.[13]
1852 Nikolai Gogol Die verlorenen Seelen, Zweiter Teil Gogol verbrannte in Rom die seiner Meinung nach misslungene Fortsetzung 'der Toten Seelen', nachdem er bereits 1842 Manuskripte der Fortsetzung vernichtet hatte.[14]
1904 Franz Kafka Das Kind und die Stadt Kafkas 1903 begonnenes Buchprojekt „Das Kind und die Stadt“ ist seit seiner Entstehung verschollen.[15]
1906 Robert Walser Der Asien-Gehülfe Walser vernichtete im Zorn das Manuskript des „Asien-Gehülfen“ nach der Ablehnung durch den Verleger Cassirer. Der Asiengehülfe, Walsers zweiter Roman, war mit dem Roman Der Gehülfe nicht identisch.[16]
1919 Robert Walser Tobold Walser vernichtete auch das Manuskript zu seinem Roman „Tobold“ nach der Ablehnung durch den Rascher Verlag. Lediglich ein Fragment wurde 1915 veröffentlicht.[17]
1919 T. E. Lawrence The seven Pillars of Wisdom Lawrence ließ 1919 beim Umsteigen das einzige Manuskript seines autobiographischen Romans auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Reading zurück und war gezwungen, den gesamten Text erneut zu verfassen.[18]
1920 Heimito von Doderer Katharina Bei der Rückkehr aus der Gefangenschaft in Sibirien ging Doderers Manuskript zu seinem Roman Katharina bis auf ein Fragment verloren.[19]
1921 Robert Walser Theodor Walser vernichtete auch das Manuskript zu seinem Roman „Theodor“. 1925 räumte Walser ein, drei Romanmanuskripte vernichtet zu haben.[20]
1927 Louis Aragon La Défense de l' Infini Aragon verbrannte das Manuskript seines „Roman der Romane“ nach einem Streit mit Breton, der die Ansicht vertrat, Romane seien keine legitime Ausdrucksform der Avantgarde.[21]
1930 Michail Afanassjewitsch Bulgakow Meister und Margarita Bulgakov vernichtete 1930 das erste Manuskript seines Romans Meister und Margarita in 15 Kapiteln, das dann bis 1940 in einer erneuten Fassung entstand.[22]
1930 Henry Miller Clipped Wings Henry Miller vertraute in Paris 1930 das 1923 in drei Wochen verfasste Manuskript seines ersten Romans dem Buchhändler und Verleger Edward Titus an, der das Manuskript umgehend verlor.[23]
1933 Lion Feuchtwanger Josephus, 2. Band Das Manuskript des 2. Bandes der Josephustrilogie wurde bei der Plünderung von Feuchtwangers Haus in Berlin zerstört. Feuchtwanger verfasste den Band in einer neuen Konzeption wieder.[24]
1933 Yvan Goll Der alternde Luzifer Das Manuskript der Neufassung der „Eurokokke“ ging nach dem Verbot der Schriften Golls in Deutschland verloren. Erhalten blieb die französische Fassung bzw. Bearbeitung.[25]
1936 Jakow Gollosowker Jesus verläßt Moskau Das Manuskript des unveröffentlichten Romans wurde nach der Verhaftung Gollosowkers durch den KGB von einem befreundeten Maler vernichtet. Gollosowker verfasste 1939 den 1991 erschienenen Roman erneut.[26]
1938 John Cheever The holly Tree Cheever vernichtete selbst sein 1937–1938 verfasstes Romanmanuskript. Nach Angabe von Susan Cheever gab es ein vernichtetes Manuskript eines noch früheren Romanes.[27]
1940 Alfred Kantorowicz ohne Titel Kantorowicz erster Roman, in dem er ab 1929 seine Erlebnisse in Erlangen verarbeitete, fiel 1940 in Frankreich in die Hände der Gestapo und wurde vernichtet.[28]
1941 Joseph Breitbach Clemens (Erzählung) Es handelt sich dabei ursprünglich um ein Kapitel aus einem gleichnamigen Roman, das unter dem Titel Die Rückkehr im Jahr 1937 im ersten Heft der von Thomas Mann herausgegebenen Zeitschrift Maß und Wert veröffentlicht wurde. 1941 beschlagnahmte die Gestapo in Paris das Manuskript des Romans. Es wurde in der Endphase des Zweiten Weltkrieges von sowjetischen Truppen nach Moskau gebracht und später an die DDR abgegeben. Breitbach erfuhr hiervon nichts.
1943 Henry de Montherlant Père et fils Das Manuskript des 1941 verfassten etwa 200-seitigen Romans wurde von Montherlant als Vorlage für das Drama Fils et personne verwendet und anschließend vernichtet.[29]
1943 Andrei Platonowitsch Platonow Reise aus Moskau nach Petersburg Das beschlagnahmte vollständige Romanmanuskript wurde 1943 vom KGB vernichtet.[30]
1944 Hans Fallada Das Kutisker-Projekt Das in der Heilanstalt Strelitz von Fallada im Auftrag des Propagandaministeriums 1943 verfasste dubiose antisemitische Manuskript über Iwan Kutisker ging in den Kriegswirren verloren.[31]
1944 Dominique Desanti Les Termites Desanti verbrannte ihr auf Anregung Sartres ab 1941 entstandenes Romanmanuskript nach Eintritt in die PCF, wegen darin enthaltener Sympathien für die Trotzkistische Bewegung.[32]
1950 Truman Capote Summer Crossing Capote überließ 1950 beim Umzug das Inventar seiner Wohnung dem Hausmeister, darunter auch das weitgehend fertige Manuskript. Für Capote war es damit verloren. Es wurde 2004 Sotheby’s angeboten und 2005 postum gedruckt.
1966 Irmtraud Morgner Rumba auf einen Herbst Das Manuskript des abgeschlossenen Romans verschwand 1966 unter ungeklärten Umständen. Der Text wurde nach dem Tod Morgners 1992 in einer rekonstruierten Fassung veröffentlicht.[33]
1993 Liao Yiwu Für ein Lied und hundert Lieder Zwischen 1989 und 1993 wurden Liao Yiwu in verschiedenen Gefängnissen und Umerziehungslagern die ersten beiden Fassungen seines Romans von der Geheimpolizei abgenommen und wohl vernichtet. Erst die dritte Fassung konnte aus China hinausgeschmuggelt werden.[34]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Franz Borkenau: Der Übergang Vom Feudalen Zum Bürgerlichen Weltbild: Studien Zur Geschichte Der Philosophie Der Manufakturperiode. Ayer Publishing, 1975, S. 285.
  2. Hans-Joachim Lope: Die „Cartas Marruecas“ von José Cadalso. Vittorio Klostermann, 1973, S. 65.
  3. Lothar Pikulik: Romantik als Ungenügen an der Normalität. Suhrkamp, 1979, S. 104.
  4. Aus dem Antiquariat , Ausgaben 1–12, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Buchhändler-Vereinigung, 2001.
  5. Davide Giuriato: Bilder der Handschrift: die graphische Dimension der Literatur. Stroemfeld, 2006, S.
  6. Otto Schmidt: Rousseau und Byron. Books on Demand, 2010, S. 107.
  7. Otto Schmidt: Rousseau und Byron. Books on Demand, 2010, S. 107.
  8. Nathaniel Hawthorne: Collected Novels. Library of America, 1983, S. 1244.
  9. Lucienne de Wieclawik: Alphonse Rabbe dans la melee politique et litteraire de la restauration. Nizet, Paris 1963, S. 328f.
  10. Neil Schaeffer: The Marquis De Sade: A Life. Harvard University Press, 2000, Fußnote 73, S. 545.
  11. Karl Schall, August Kahlert: Carl Schall’s nachgelassene Reime und Räthsel. Graß, Barth & Co., Breslau 1849, S. 30.
  12. Eduard Mörike: Werke und Briefe: 1839–1841. Klett-Cotta, 1988, Anmerkung 220 auf S. 572.
  13. Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Tradition, 2011, S. 25.
  14. Olga Nikitina: Gogols Selbstidentität im Roman Die toten Seelen. GRIN Verlag, 2007, S. 17.
  15. Andreas B. Kilcher: Franz Kafka. Suhrkamp, 2008, S. 80.
  16. Bernhard Echte: Robert Walser: sein Leben in Bildern und Texten. Suhrkamp, 2008, S. 489.
  17. Bernhard Echte: Robert Walser: sein Leben in Bildern und Texten. Suhrkamp, 2008, S. 325ff.
  18. Richard Deiss: Flügelradkathedrale und Zuckerrübenbahnhof: Kleine Geschichten zu 222 Bahnhöfen in Europa. Book on Demand, 2011, S. 65.
  19. Heimito von Doderer: Die sibirische Klarheit. C. H. Beck, 1991, S. 118.
  20. Bernhard Echte: Robert Walser: sein Leben in Bildern und Texten. Suhrkamp, 2008, S. 352ff.
  21. Rita Bischof: Teleskopagen, wahlweise. Vittorio Klostermann, 2001, S, 389
  22. Xenia Janzen: Moderne Dämonen - Michail Bulgakows „Master i Margarita“ und Thomas Manns „Doktor Faustus“. GRIN Verlag, 2009, S. 3.
  23. Herbert Faulkner West: The Mind on the Wing, A Book for Readers and Collectors. Ayer Publishing, 1971, S. 126.
  24. Hans Otto Horch, Horst Denkler: Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom Ersten Weltkrieg bis 1933/1938. Walter de Gruyter, 2009, S. 273
  25. Heike Schmidt: Art mondial: Formen der Internationalität bei Yvan Goll. Königshausen & Neumann, 1999, S. 135.
  26. Osteuropa, Band 43, Ausgaben 9–12, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, Deutsche Verlags-Anstalt, 1993, S. 1115.
  27. Annegret Wemhöner: The Deeper levels of life and the sense of time and Place. John Cheevers Romanwerk zwischen Romance und Novel of Manners. John Benjamins Publishing Company, 1988, S. 12.
  28. Wolfgang Gruner: „Ein Schicksal, das ich mit sehr vielen anderen geteilt habe“. Alfred Kantorowicz – Sein Leben und seine Zeit von 1899 bis 1935. Kassel University Press, Kassel 2006, ISBN 978-3-89958-209-3, S. 126.
  29. Berthe-Odile Simon-Schaefer: Die Romane Henry de Montherlants. Librairie Droz, 1975, S. 47.
  30. Rainer Georg Grübel: Literaturaxiologie. Otto Harrassowitz Verlag, 2001, S. 312.
  31. Sigrid Nieberle: Literarhistorische Filmbiographien. Autorschaft und Literaturgeschichte im Kino. Mit einer Filmographie 1909–2007. Walter de Gruyter, Berlin 2008, S. 184.
  32. Ian H. Birchall: Sartre Against Stalinism. Berghahn Books, 2004, S. 38.
  33. Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis: Jedes Buch ein Abenteuer. Akademie Verlag, 1997, S. 274.
  34. Julius Jasso: Liao Yiwu und die brutale Arbeit des Erinnerns. In: Cicero. 28. August 2011.