Mortality Cost of Carbon

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Die Mortality Cost of Carbon (kurz: MCC, deutsch etwa: Mortalitätskosten der Kohlenstoffemissionen) sind eine Kennzahl der Klimafolgenabschätzung zur Bestimmung des Einflusses von CO2-Emissionen und klimapolitischen Entscheidungen auf die Sterblichkeit von Menschen. So lässt sich das Verhältnis von ausgestoßenem Kohlendioxid zu daraus folgenden Todesfällen sowie zu volkswirtschaftlichen Schäden beschreiben.

Historie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff wurde um 2021 durch R. Daniel Bressler in Anlehnung an die bereits in Integrated Assessement Models (IAM) verwendete Metrik der Social Cost of Carbon (SCC) geprägt.[1] Hierbei wird die Mortalität in der Regel als Social Cost of Carbon Mortality Rate (SCCMR) berücksichtigt.[2] Bereits zuvor hatten sich Forscher wie Richard Parncutt um eine Quantifizierung der Relation von CO2-Emissionen und deren direkter und indirekter Letalität bemüht.[3][4] 2015 hatte der Philosoph John Nolt erstmals eine exakte Bezifferung von Klimatoten als Bewertungsinstrument vorgeschlagen.[5]

Stand der Wissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mortality Cost of Carbon im Vergleich mit Jahresemissionen

Mit der Mortality Cost of Carbon wird die Anzahl an Todesfällen durch den Ausstoß einer zusätzlichen Tonne Kohlenstoffdioxid beschrieben. Dabei orientiert sich die MCC an einem Ausgangsjahr und einem Klimamodell zur integrierten Bewertung von Emissionen, Temperaturentwicklung und Klimafolgen. Ein Ausstoß von 4434 Tonnen CO2 habe demnach einen Todesfall bis 2100 zur Folge, was dem durchschnittlichen Ausstoß von etwa drei US-Amerikanern entspräche.[1] Der Betrieb eines Kohlekraftwerks resultiere verglichen mit anderen Energieträgern in etwa 900 zusätzlichen Toten.[6]

In einer Übersichtsarbeit gaben Joshua Pearce und Richard Parncutt 2023 an, dass Ausstoß von 1000 Tonnen Kohlenstoff (entsprechend etwa 3700 Tonnen CO2) etwa 0,1 bis 10 Tote (im Mittel: einen Toten) zur Folge habe. Die Forscher abstrahierten dies als 1000-Tonnen-Regel.[7] Mit einer Hochrechnung auf den gesamten Produktlebenszyklus können die MCC eines Gebrauchsgegenstandes abgeschätzt werden (auch: Mortality Cost of Carbon per Item, MCCI). Eine Betrachtung des australischen Verkehrssektors ergab demnach, dass die emissionsbedingten Tode des mit Verbrennungsmotoren ausgestatteten Pkw-Aufkommens die Zahl der Unfalltoten um das 75-fache überstiegen. Die flächendeckende Adaption von Elektromobilität würde demnach nutzungsbedingte Todesfälle im Straßenverkehr um 96 Prozent reduzieren.[2]

Sonstige Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2022 veröffentlichte der Ökonom Jakob Thomä die Kampagnenseite Der Kill-Score und ein gleichnamiges Buch, in dem die bis dahin bestehenden Forschungsarbeiten zur Mortality Cost of Carbon aufbereitet und auf den individuellen Fußabdruck, sowie die Emissionen von Staaten und Unternehmen übertragen werden. Demnach resultierten die CO2-Emissionen der im DAX gelisteten, vierzig größten deutschen Unternehmen in etwa 60.000 zusätzlichen Toten jährlich. Eine Umsetzung des Wahlprogramms 2019 der SPD würde demnach in 1,5 bis mehr als 7 Millionen Klimatoten resultieren.[8][9]

Laut Global Witness resultierten die gegenwärtigen Förderpläne der globalen Mineralölkonzerne Shell, BP, TotalEnergies, ExxonMobil und Chevron in etwa 11,5 Millionen zusätzlichen Todesfällen bis 2050.[10]

Prognostizierte Zahl von Klimatoten auf Basis von jährlichen Selbstauskünften der Mineralölunternehmen[11]
Unternehmen Shell TotalEnergies BP Equinor Eni Repsol OMV Orlen Wintershall Dea
CO2e-Emissionen in Mt (2022) 968,0 437,0 342,2 256,9 204,2 198,1 112,0 110,4 77,91
Resultierende Todesfälle bis 2100 130.000 57.000 45.000 34.000 27.000 26.000 15.000 15.000 10.000

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b R. Daniel Bressler: The mortality cost of carbon. In: Nature Communications. Band 12, Nr. 1, 29. Juli 2021, ISSN 2041-1723, doi:10.1038/s41467-021-24487-w (nature.com [abgerufen am 19. Mai 2024]).
  2. a b Benjamin John Rose: Estimating mortality cost and social cost of CO 2 emitted by items, applied to passenger vehicles. In: Renewable Energy and Environmental Sustainability. Band 8, 2023, ISSN 2493-9439, S. 21, doi:10.1051/rees/2023016 (rees-journal.org [abgerufen am 19. Mai 2024]).
  3. Richard Parncutt: The Human Cost of Anthropogenic Global Warming: Semi-Quantitative Prediction and the 1,000-Tonne Rule. In: Frontiers in Psychology. Band 10, 16. Oktober 2019, ISSN 1664-1078, doi:10.3389/fpsyg.2019.02323, PMID 31681113, PMC 6807963 (freier Volltext) – (frontiersin.org [abgerufen am 20. Mai 2024]).
  4. Richard Parncutt: The Human Cost of Anthropogenic Global Warming: Semi-Quantitative Prediction and the 1,000-Tonne Rule. In: Frontiers in Psychology. Band 10, 16. Oktober 2019, ISSN 1664-1078, doi:10.3389/fpsyg.2019.02323, PMID 31681113, PMC 6807963 (freier Volltext) – (frontiersin.org [abgerufen am 20. Mai 2024]).
  5. John Nolt: Casualties as a moral measure of climate change. In: Climatic Change. Band 130, Nr. 3, Juni 2015, ISSN 0165-0009, S. 347–358, doi:10.1007/s10584-014-1131-2 (springer.com [abgerufen am 21. Mai 2024]).
  6. Oliver Milman: Three Americans create enough carbon emissions to kill one person, study finds. In: The Guardian. 29. Juli 2021, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 20. Mai 2024]).
  7. Joshua M. Pearce, Richard Parncutt: Quantifying Global Greenhouse Gas Emissions in Human Deaths to Guide Energy Policy. In: Energies. Band 16, Nr. 16, 19. August 2023, ISSN 1996-1073, S. 6074, doi:10.3390/en16166074 (mdpi.com [abgerufen am 19. Mai 2024]).
  8. Kill-Score-Rechner: Wie viele Klimatote hat Deutschland auf dem Gewissen? 14. Dezember 2022, abgerufen am 19. Mai 2024.
  9. Kai Kuhnhenn, Lasse Thiele, Matthias Schmelzer: Ist Klimagerechtigkeit wählbar? Eine Wahlprogramm-Analyse. Konzeptwerk Neue Ökonomie, Leipzig August 2021.
  10. Big oil's plans could cause 11.5 million heat deaths by 2100. In: Global Witness. 20. März 2024, abgerufen am 20. Mai 2024 (englisch).
  11. Today's Emissions, Tomorrow's Deaths. How Europe's Major Oil and Gas Companies are Putting Lives at Risk. Greenpeace Netherlands, Dezember 2023, S. 13 (greenpeace.org [PDF; abgerufen am 21. Mai 2024]).