Nuits de la Fondation Maeght

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Nuits de la Fondation Maeght
Livealbum von Sun Ra

Veröffent-
lichung(en)

1971

Aufnahme

1970

Label(s) Shandar, RCA, Recommended Records, Comet Records

Format(e)

2xLP, CD, Download

Genre(s)

Jazz

Titel (Anzahl)

11

Länge

39:13/33:03

Besetzung
  • Gesang: Gloristeena Knight, John Gilmore (A1), June Tyson (A1, A2), Verta Grosvenor

Aufnahmeort(e)

Fondation Maeght

Chronologie
My Brother the Wind, Vol. II
(1971)
Nuits de la Fondation Maeght It’s After the End of the World
(1971)

Nuits de la Fondation Maeght (Volumes 1 & 2) ist ein Jazzalbum von Sun Ra. Die am 3. und 5. August 1970 in der Fondation Maeght bei Saint-Paul-de-Vence nahe der Côte d’Azur entstandenen Aufnahmen erschienen auf zwei Langspielplatten 1971 auf dem von der Fondation subventionierten Label Shandar.

In den späten 1960er Jahren erlangten Sun Ra & His Arkestra den Ruf, multidimensionale Spektakel zu inszenieren, die große Veranstaltungsorte füllen konnten. Insbesondere ein zweitägiges Multimedia-Debüt in der New Yorker Carnegie Hall im April 1968, arrangiert von Willis Conover und seiner Frau, war überaus erfolgreich gewesen.[1] Wie John Szwed in seiner Sun-Ra-Biografie „Space Is the Place: The Lives and Times of Sun Ra“ (1997) berichtet, hatte Conover Sun Ra schon seit einiger Zeit gedrängt, das Arkestra nach Europa zu bringen. Er hatte ihm versichert, dass die Zeit reif sei. Als ein Angebot kam, für ein paar Konzerte in der Fondation Maeght in Südfrankreich aufzutreten, begannen die Vorbereitungen, und die Konzerte wurden für August 1970 gebucht.[2]

Die Fondation Maeght ist ein Museum für moderne Kunst oberhalb von Nizza in den Hügeln des Hinterlandes. Es wurde 1964 von Marguerite und Aimé Maeght gegründet und veranstaltet auch Musikdarbietungen und andere öffentliche Veranstaltungen. Die Auftritte des Sun Ra Arkestra in der Fondation Maeght waren jedoch nicht Teil einer Tournee. Die erste Europatournee des Arkestra begann erst am 9. Oktober 1970 in Nanterre (gefolgt von u. a. einem Auftritt bei den Donaueschinger Musiktagen und weiteren Konzerten in Amsterdam, Barcelona, bei den Berliner Jazztagen und in London).[3] Die Gigs in der Fondation Maeght hatten die Funktion einer Sondierung. Trotz vieler Kontroversen waren sie erfolgreich und führten in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einer verstärkten Tourneetätigkeit von Sun Ra nach Europa und darüber hinaus. Sein Arkestra kehrte im November 1971 für weitere Auftritte nach Europa zurück – darunter ein Konzert im Théâtre du Châtelet in Paris (erschienen 2010 auf The Paris Tapes: Live at Le Théâtre du Châtelet 1971).[1]

Die Konzerte des Sun Ra Arkestra in der Fondation Maeght wurden für die Ausstrahlung durch den französischen Rundfunk aufgenommen und gefilmt. Eine Auswahl aus den Mitschnitten wurde 1971 auf zwei separaten LPs auf dem französischen Label Shandar herausgegeben und später in verschiedenen Formaten neu aufgelegt – einige autorisiert, andere als Bootlegs. Beide Bände von Nuits de la Fondation Maeght wurden 2003 auf CD von einer Bandquelle in verbesserter Qualität bei Comet Records neu herausgegeben.[1]

  • Sun Ra: Nuits de la Fondation Maeght Volume 1 (Shandar SR 10 001)[4]
  1. Enlightment (Sun Ra, Liedtext; Hobart Dotson, Musik) 2:56
  2. The Star Gazers 3:08
  3. Shadow World 13:20
  4. The Cosmic Explorer 19:45
  • Sun Ra: Nuits de la Fondation Maeght Volume 2 (Shandar 10003)[5]
  1. Friendly Galaxy Number 2 8:46
  2. Spontaneous Simplicity 10:50
  3. The World of the Lightening 5:54
  4. Black Myth
  5. The Shadows Took Shape
  6. This Strange World
  7. Journey Through the Outer Darkness 8:32
  8. Sky 2:01

Wenn nicht anders vermerkt, stammen die Kompositionen von Sun Ra.

Der Sun-Ra-Biograf John F. Szwed zitiert in Space Is the Place aus einer Runde, die im Jazz Magazine die ersten Konzerte Sun Ras in Frankreich erörterte, einen enttäuschten Jazzkritiker, Jean-Robert Masson (1930–2021), der – eine entsprechende Frage von Redakteur Philippe Carles bestätigend – eine Diskrepanz bemerkte zwischen dem, was Sun Ra 1970 live präsentierte, und dem, was zuvor an Platten in Europa bekannt war: „Ich war ratlos, als ich mir die Aufnahmen aus Saint-Paul-de-Vence (Nuits de la Fondation Maeght) anhörte: Es passierte sozusagen nichts. Wie konnte das gleiche Orchester, das die orchestral reichhaltigen ESP-Platten [The Heliocentric Worlds of Sun Ra, Vol. 1/Vol. 2] gemacht hatte, dasselbe sein, das die Nuits-Platten machte, die fast statisch waren und sich auf ein grobes und einfaches rhythmisches Ereignis reduzierten. Ich musste feststellen, dass das gestische und visuelle Element einen sehr großen Platz in der Wahrnehmung von Sun Ra hatte, was vom Anhören der ESP-Platten nicht offensichtlich war. Der Abend im Châtelet hat dies nur unterstrichen und ging bis zur Karikatur.“[6]

Masson war kaum der erste – oder letzte – Musikkritiker, der „perplex“ war, schrieb Irwin Chusid in den Liner Notes. „Ra-ficionados könnten argumentieren, dass solche Reaktionen Teil von Ras Spielplan waren. Das Wort „Kompromiss“ kann nicht ohne weiteres im selben Satz wie „Sun Ra“ verwendet werden, ohne dass eine Verneinung dazwischenkommt.“ Hierzu zitiert der Autor Sun Ras Bemerkung von 1966: „Viele Leute sagen, dass ich nur herumspiele, aber so ist es nicht. Ich kenne Musik von Kopf bis Fuß, ich kenne alle Gesetze der Musik, ich bin mit Klassikern aufgewachsen und Ich bin aufs College gegangen und habe Musik für das Lehramt studiert, also KENNE ich Musik. Aber ich gehe einfach meinen eigenen Weg und ich weiß, was ich tue.“[1]

Fondation Maeght

„Was Sun Ra und sein Gefolge bei Maeght präsentierten, erschreckte Gönner, Kritiker, Künstler und Journalisten“, schrieb Irwin Chusid in den Liner Notes. „Kurz gesagt, die meisten Augenzeugen wussten nicht, was sie davon halten sollten.“ John F. Szwed zeichnete in seiner Ra-Biografie das Ereignis auf: „Neunzehn Musiker und Tänzer standen am Abend des 3. August auf der Bühne. Das Publikum hatte wenig oder gar keine Kenntnis von Sun Ras Musik, da seine Platten in Frankreich nicht weit verbreitet waren, und als sie ankamen, sahen sie das Arkestra vor sich ausgebreitet wie kunstvolles Dekor: Musiker in roten Tuniken, sitzend in einem Instrumentenwald auf der Bühne, Tänzer in roten Kleidern. Auf eine Leinwand hinter ihnen wurde ein Himmel voller Sterne projiziert, dann Planeten, Kinder in Harlem, Indianer auf Jagdreisen und Wochenschau-Aufnahmen von Protesten; ein Ball aus 'magischem Feuer' stieg langsam zur Decke auf; Saxophonisten begannen wie Samurai zu kämpfen und kamen dann wie Brüder zusammen; und in der stillen Mitte von allem saß Sun Ra hinter dem Moog und erzeugte die Geräusche von Stürmen, Stürmen und brechenden Wellen. Vom ersten Ton an stand eine aufgeregte Frau auf und rief: „Was ist *das*?“ Danach kam sie herauf und bestand darauf, die geschriebene Musik zu sehen. Die Europäer schienen wissen zu wollen, ob hinter dem, was sie hörten, Musik steckte, als ob es ihnen versichern würde, dass dies eine rationale Aktivität war, und Sonny zeigte ihnen immer gerne die Partituren. Ein Mann platzte einmal damit heraus, dass seine „fünfjährige Tochter das spielen könnte!“ Sun Ra stimmte bereitwillig zu: ‚Sie könnte es spielen, aber könnte sie es schreiben?‘“[7]

Lindsay Planer verlieh dem Album (in Form der Neuausgabe) in Allmusic viereinhalb Sterne und schrieb, das Album Volum 1 präsentiere das Arkestra auf seiner absoluten Spitze in Bezug auf Leistung und Inspiration. Die vier enthaltenen Stücke würden eine große Vielfalt an Stilen und Herangehensweisen bieten und bewiesen, dass die Combo viel facettenreicher und involvierter war, als oft angenommen werde. „Enlightenment“ sei ein passender Opener mit einem Gesangsduett zwischen June Tyson und John Gilmore. Im passend betitelten „Cosmic Explorer“ gebe es Momente, die zwischen erschreckend und erhaben schwanken, wenn der Künstler die Klänge methodisch untersuche und seine progressiven Arrangements sorgfältig konstruiere. Ähnlich wie bei der Arkestra-Präsentation sind Sun Ras Soli komplex und machen jeden Mangel an Struktur durch eine motivierte Darbietung mehr als wett.[8]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d Informationen nach den Liner Notes der Neuausgabe
  2. John Szwed: Space Is the Place: The Lives and Times of Sun Ra. Payback Press, Edinburgh 1997, S. 278.
  3. John Szwed: Space Is the Place: The Lives and Times of Sun Ra. Payback Press, Edinburgh 1997, S. 281 ff.
  4. Sun Ra: Nuits de la Fondation Maeght Volume 1 bei Discogs
  5. Sun Ra – Nuits de la Fondation Maeght Volume 2 bei Discogs
  6. nach John Szwed: Space Is the Place: The Lives and Times of Sun Ra. Payback Press, Edinburgh 1997, S. 288 ff.
  7. John Szwed: Space Is the Place: The Lives and Times of Sun Ra. Payback Press, Edinburgh 1997, S. 279.
  8. Besprechung des Albums von Lindsay Planer bei AllMusic (englisch). Abgerufen am 1. Mai 2022.