Oberlausitzer Grenzurkunde

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Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241. Festung Königstein

Die Oberlausitzer Grenzurkunde definierte die Grenzen zwischen der zum Königreich Böhmen gehörenden Oberlausitz und den Besitzungen des Bischofs von Meißen. Sie wurde am 7. Mai 1241 von König Wenzel auf dem Königstein unterzeichnet. Viele der zwischen Bautzen, Sebnitz und Stolpen gelegenen Orte, die im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus gegründet worden waren, sind in der Oberlausitzer Grenzurkunde zum ersten Mal schriftlich erwähnt.

Der Gau der sorbischen Milzener, die spätere Oberlausitz, war seit dem 10. Jahrhundert Expansionsziel der angrenzenden Länder. Das Gebiet war zuerst vom deutschen König abhängig, dann kurze Zeit polnisch, später wechselte der Besitz mehrfach zwischen den böhmischen Königen und den Markgrafen von Meißen, ehe das Land Budissin, wie die Oberlausitz damals hieß, 1158 für mehr als 450 Jahre ein Nebenland des Königreichs Böhmen wurde. Schon seit Anfang des 11. Jahrhunderts hatte aber auch das Hochstift Meißen durch verschiedene Schenkungen Besitzungen in der Oberlausitz erlangt, vor allem um Stolpen, Bischofswerda und Göda. Sowohl die Meißner Bischöfe als auch die Könige von Böhmen holten seit der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts verstärkt Kolonisten ins Land, ließen die Wälder roden und neue Dörfer anlegen. Die meisten Ortsgründungen der Oberlausitz gehen auf die Jahrzehnte zwischen 1150 und 1240 zurück. Um 1220 war das zur Besiedlung geeignete Land weitgehend verteilt und zwischen den Gefolgsleuten des Königs und des Bischofs entstanden zahlreiche Grenzstreitigkeiten. Eine genaue Festlegung, welche Gebiete zu Böhmen gehörten und welche dem Meißner Hochstift, war notwendig geworden.

Die Festlegung der Grenze

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Die Besiegelung der Urkunde durch König Wenzel I. 1241 auf dem Königstein stellte den Abschluss eines längeren Prozesses dar, den Richard Jecht akribisch rekonstruiert hat.[1]:72–73

  1. Im Jahre 1213 führten 12 Männer eine Scheidung der Burgwarde innerhalb der Länder Zagost und Budissin durch.
  2. Im Jahre 1223 unternahmen dieselben Männer, im Auftrag des Königs Otakar und des Kronprinzen Wenzel, der damals dux Budissinensis war, sowie des Bischofs Bruno von Meißen, eine neue Berainung ähnlichen Inhalts. Sie fertigten darüber ein Protokoll an, das sich auch auf ihre frühere Arbeit von 1213 stützte und in die spätere Grenzurkunde einging. Es enthielt etwa 100 Geländemerkmale, die den Grenzverlauf bestimmten. Am häufigsten wurden Wasserläufe genannt, die die Grenzlinie über eine längere Strecke definierten, gefolgt von Bergen und Hügeln.
  3. Auf der Grundlage dieses Berainungsprotokolles von 1223 wurden 1228 durch Vermittlung des Mainzer Bischofs Siegfried II. von Eppstein zwei Urkunden zur Besiegelung durch die beiden böhmischen Könige ausgestellt, die jedoch nicht vollzogen wurden.
  4. Erst 1241 wurde die Urkunde von König Wenzel vollzogen.

Richard Jecht vermutet, dass die Urkunde 1228 nicht ratifiziert wurde, weil die böhmische Seite mit dem Ergebnis unzufrieden war. Nach der Schlacht bei Liegnitz am 7. April 1241 befürchtete König Wenzel jedoch mongolische Einfälle in Mähren und der Oberlausitz und suchte Verbündete. Deshalb unterzeichnete er am 7. Mai 1741 auf dem Königstein im Beisein des Meißner Bischofs Konrad die Urkunde. Die Tatsache, dass vier Ausfertigungen der Urkunde überliefert sind, die sich in einigen Passagen deutlich unterscheiden, erklärt Jecht folgendermaßen: Nachdem Wenzel seine Zustimmung zur Ratifikation gegeben hatte, gab Bischof Konrad seiner Kanzlei den Auftrag, zwei Ausfertigungen, A und B, anzufertigen – eine für das bischöfliche und eine für das königliche Archiv. Die bischöfliche Kanzlei nahm die nicht bestätigte Urkunde von 1228 als Grundlage, ließ aber den Anfang von 1228 stehen, ersetzte jedoch den Schluss (Zeugen und Datierung) nach den geänderten Verhältnissen vom Mai 1241. Die Kanzlei Wenzels fand in diesen Urkunden, die durch ihren Anfang und ihr Ende eine Zwittergestalt hatten, keinen Fehler und versah A und B mit dem königliche Siegel. Danach aber bemerkte man, dass man zwei in sich ganz widersprüchliche Urkunden bestätigt hatte, ließ zwei neue, einwandfreie Urkunden C und D ausfertigen und mit zwei gleichen Siegeln versehen. Alle vier Ausfertigungen liegen heute im Hauptstaatsarchiv Dresden.

Die Grenze folgte von der Elbe kommend dem Sebnitzbach aufwärts, ging dann bei Sebnitz nach Norden Richtung Langburkersdorf, wandte sich von dort nordwestlich nach Frankenthal, wo sie ein Stück der Schwarzen Röder folgte. Die Grenze verlief dann weiter über den Keulenberg hinweg nach Pulsnitz. Von da an bildete das gleichnamige Flüsschen bis zu seiner Mündung in die Schwarze Elster die Grenzmarkierung.

Der Burgward von Doberschau mit den Dörfern Schwarznaußlitz, Singwitz, Blumenthal, Obergurig und Mönchswalde gehörte dem Bistum Meißen, war aber von böhmischem Gebiet umschlossen. Auch die meißnische Enklave Bischdorf östlich von Löbau wird in der Grenzurkunde erwähnt.

Am 7. Mai 1241 wurde die Oberlausitzer Grenzurkunde von König Wenzel auf der Burg Königstein an der Elbe unterzeichnet. Es wurden sogleich mehrere Exemplare dieses wichtigen Dokuments ausgefertigt. Inhaltlich gab es zum Entwurf von 1228 keine wesentlichen Unterschiede. Als Zeugen fungierten neben anderen Adligen Angehörige der Kommission, die die Vermessung fast 20 Jahre vorher vorgenommen hatte.

Der Name der Urkunde ist nicht zeitgenössisch, denn als sie ausgestellt wurde, existierte der Landesname Oberlausitz noch gar nicht. Von der Oberlausitzer Grenzurkunde ist erst in neuzeitlichen Publikationen die Rede. In der Urkunde selbst werden die alten slawischen Gaue Milska[2], Dacena[3] (beide böhmisch) und Nisani (meißnisch) gegeneinander abgegrenzt.

Weitere Entwicklung

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Durch Besitzwechsel vieler Orte änderte sich die böhmisch-meißnische Grenze im Spätmittelalter mehrfach. Nur der nördliche Teil der Grenzlinie, etwa ab dem Keulenberg, blieb rund 400 Jahre bestehen, bis das Markgraftum Oberlausitz 1635 unter die Herrschaft der sächsischen Kurfürsten kam.

Die Oberlausitzer Grenzurkunde liegt in vier im Jahr 1241 von verschiedenen Händen geschriebenen Exemplaren im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, Signatur 00366a. Die vier Exemplare werden mit den Großbuchstaben A, B, C und D bezeichnet. Der Text des Exemplars A ist abgedruck im Codex diplomaticus Saxoniae regiae.[4] Die Ausfertigung D und einen Vergleich der vier Exemplare hat Richard Jecht 1919 publiziert.[1]:88–93

  • Alfred Meiche: Die Oberlausitzer Grenzurkunde vom Jahre 1241 und die Burgwarde Ostrusna, Trebista und Godobi. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 84, 1908, S. 145–251 ([2]).
  • Richard Jecht: Neues zur Oberlausitzer Grenzurkunde. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 95. Görlitz 1919, S. 63–94 ([3]).
  • Christine Klecker: Die Oberlausitzer Grenzurkunde. Landesausbau im Spannungsfeld von Landschaft und Herrschaftsbildung. In: Rainer Aurig u. a. (Hrsg.): Landesgeschichte in Sachsen. Tradition und Innovation. Studien zur Regionalgeschichte. 10. Bielefeld 1997, ISBN 3-89534-210-6, S. 29–40.
  • Kurt Hartmann: Die Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241. In: Beiträge zur Heimatkunde der Westlausitz. Band 9, 1999.
  • Diethard Mardek: Die Oberlausitzer Grenzurkunde von 1241. Der Grenzverlauf durch die Gemeinde Obergurig. In: Amts- und Mitteilungsblatt der Gemeinde Obergurig. Jahrgang 16, 2005, Nr. 8, S. 10–12.
  • Heinz Schuster-Šewc: Zur Lokalisierung und Deutung der in der Schenkungsurkunde Heinrich des II. aus dem Jahre 1006/07 genannten altsorbischen Ortsbezeichnungen Ostruzna, Trebista und Godobi. In: Oberlausitzer Hausbuch, Bautzen 2007, S. 42–43, 1 Abb.: Ausschnitt der kaiserlichen Urkunde
  • Lutz Mohr: Die „Oberlausitzer Grenzurkunde“ von 1241 aus der Sicht des Neusalzaer Juristen und Heimatforschers Gustav Hermann Schulze (1833–1901) und der älteren und modernen Forschung. In: Günter Hensel (Bearb.): Geschichte und Geschichten aus Neusalza-Spremberg. Band 4, Kultur- und Heimatfreunde e.V. und Interessengemeinschaft Ortsgeschichte (IGO), Neusalza-Spremberg 2011, S. 29–50.
  • Krzysztof Fokt: Terrra Zagozd - Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der Oberlausitz. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte. Band 84, 2014, S. 223–239, doi:10.52411/nasg.Bd.84.1013.S.223-239.
  1. a b Richard Jecht: Neues zur Oberlausitzer Grenzurkunde. In: Neues Lausitzisches Magazin. Band 95. Görlitz 1919, S. 63–94 ([1] [abgerufen am 6. Mai 2024]).
  2. die Oberlausitz
  3. das Gebiet von Tetschen elbabwärts bis zum Königstein
  4. Nr. 121. 1241. 7. Mai - K. Wenzel von Böhmen bestätigt zur Beseitigung fernerer Streitigkeiten die von Eingesessenen der Oberlausitz festgestellten Grenzen der bischöflichen Güter und der der böhmischen Krone. In: Ernst Gotthelf Gersdorf (Hrsg.): Codex diplomaticus Saxoniae regiae (= Hauptteil II - Die Urkunden der Städte und geistlichen Institutionen in Sachsen). Band 2 - Urkundenbuch des Hochstifts Meißen. Giesecke & Devrient, Leipzig 1864, S. 109–112 (isgv.de).