Valerio Olgiati

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Oberstufenschulhaus Paspels
Atelier Bardill, Scharans
Besucherzentrum, Al-Muharraq
Villa Além, Alentejo
Flagship-Store, Miami

Valerio Olgiati (* 18. Juli 1958 in Chur) ist ein Schweizer Architekt. Seine Bauten und theoretischen Ausführungen zur Architektur erregen weltweite Aufmerksamkeit und gelten vielen seiner Anhänger als Kult.

Gelbes Haus, Flims

Olgiati trat mit zwei in kurzer Folge fertiggestellten Bauten, dem Oberstufenschulhaus in Paspels[1] und dem Gelben Haus in Flims[2], in den internationalen Architekturdiskurs ein. In nunmehr über 20 Jahren hat Olgiati den Architekturdiskurs mit Gebäuden und Projekten von höchster Tragweite herausgefordert. Zu den bekanntesten Gebäuden gehören das Atelier Bardill in Scharans,[3] die Villa Além in Alentejo,[4] das Pearling Site Visiting Centre in Muharraq[5] und das Versicherungsgebäude der Baloise in Basel[6].

Valerio Olgiati wurde 1958 als Sohn des Architekten Rudolf Olgiati in Chur geboren. Er hatte verschiedene Lehraufträge inne, unter anderem den Kenzo Tange Chair an der Harvard University; außerdem unterrichtete er an der ETH Zürich, an der Cornell University und an der AA in London. Seit 2002 bekleidet Olgiati eine Professur an der Accademia di Architettura in Mendrisio.[7] Valerio Olgiati betreibt sein Architekturbüro mit seiner Frau Tamara und seinen Mitarbeitern in Portugal und der Schweiz.

Architekturtheorie

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Seine Bauten basieren nach seiner eigenen Auffassung auf formalen und natürlichen Gesetzmässigkeiten und Gegebenheiten und stützen sich auf die grundlegende Raumerfahrung, mit der der einzelne Mensch seine Welt ordnet. Anstatt Besucher und Bewohner seiner Gebäude in die eine oder andere vorbestehende Ideal-, Stil- oder Ideologiegruppe einzubetten, sei es ein Markenzeichen von Olgiatis Architektur, dass sie die einzelnen Besucher und Bewohner emanzipiert, indem sie diesen Besuchern einen grundlegenden Akt der Sinnesstiftung bietet. Entgegen dem modernistischen und postmodernen Dogma, dass Gebäude das Leben von Menschengruppen nach vordefinierten Werten verbessern, die ausserhalb der Disziplin der Architektur artikuliert werden (z. B. Politik, Wirtschaft, Soziologie), böten Olgiatis Bauten dem einzelnen Menschen, der ein Gebäude tatsächlich nutzt, die Möglichkeit, seine eigenen Möglichkeiten direkt und ohne Rückgriff auf ausserarchitektonische Konzeptualisierungen zu erweitern. Diese Ideen für die gesellschaftliche Aufgabe der Architektur für die Menschen des 21. Jahrhunderts wurden in der 2018 erstmals veröffentlichten Abhandlung Nicht-Referenzielle Architektur theoretisiert.[8]

Olgiati beschäftigt sich seit Jahren mit den Möglichkeiten einer sogenannten „nicht-referenziellen Architektur“. Die erste dokumentierte Verwendung des Begriffs in der Architektur, wie Olgiati ihn verwendet, erschien in einem Nachdruck eines Interviews in der italienischen Architekturzeitschrift Domus aus dem Jahr 2013. Der Keim für eine nicht-referentielle Herangehensweise an Gebäude liege jedoch viel früher. Olgiati erklärte, dass der wichtigste Schritt für seine Ausbildung als Architekt seine vorübergehende Emigration nach Los Angeles gewesen sei und nicht seine Erziehung in einer bestimmten Kultur, einem bestimmten Land oder einer bestimmten Landschaft oder seine architektonische Ausbildung. Laut Olgiati ermögliche ihm das Leben in den radikal heterogenen Vereinigten Staaten von Amerika, die Welt in formalen und natürlichen Begriffen und nicht in symbolischen und historischen Begriffen zu verstehen.[9]

Diese Abkehr davon, Architektur auf jedwede Referenzialität zu stützen, fand ihre frühe theoretische Form in seiner 2006 erstmals erschienenen sogenannten Ikonografischen Autobiografie.[10] Die Ikonografische Autobiografie ist eine Anthologie von 55 Abbildungen, mit denen Olgiati demonstrierte, wie er architektonische Bedingungen formal und nicht durch sie versteht alle besonderen und zeitlichen Inhalte, beispielsweise symbolische oder historische Bezüge, die diese Abbildungen ebenfalls enthalten. Die Ikonografische Autobiographie lasse nicht-referenzielle Architektur erahnen, da sie auf Referenzen hinweist, aber diese Referenzen werden nicht mehr so verwendet, dass sie eine Bedeutung tragen, mit der Menschen ein architektonisches Werk verstehen würden.[11] Olgiatis Ansatz sah eine dramatische Veränderung der Art und Weise vor, wie ein Architekt kreiert und erfindet und wie ein Besucher oder Bewohner diese Gebäude sinnvoll einschätzt. Olgiati erklärte, dass er glaubt, dass nur grundlegende Einsichten aus der Erfahrung des Raums in der Lage sind, die Architektur der Welt zu bewegen Gegenwart innerhalb ihrer höchst heterogenen Gesellschaft.[12]

Seine Arbeiten waren unter anderem Gegenstand von Einzelausstellungen im Nationalmuseum für moderne Kunst Tokio, im Royal Institute of British Architects in London und am Former Colegio San Ildefonso in Mexiko-Stadt[13]. Mehrere Monographien zu Olgiatis Œuvre sind vorhanden.

Commons: Valerio Olgiati – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Martin Tschanz: Schulhaus, Paspels, Graubünden, 1996–98. In: Anna Meseure, Martin Tschanz, Wilfried Wang (eds.): Architektur im 20. Jahrhundert, Band V: Schweiz. Prestel/DAM, München / Frankfurt a. M. 1998, ISBN 978-3-7913-2015-1, S. 314f.
  2. Hubertus Adam: Von der Idee zur Erscheinung. Valerio Olgiatis Umbau des ‘Gelben Hauses’ in Flims. In: Neue Zürcher Zeitung, 29. Oktober 1999, S. 66.
  3. Valerio Olgiati. Atelier Bardill, Scharans Switzerland. In: a+u, 452, Tokyo 2008, S. 54–61.
  4. Tom Vanderbilt: Castle in the Sky. In: The Wall Street Journal Magazine. New York City, September 2016.
  5. Ali Ismail Karimi: Pearling Path Visitors Center by Valerio Olgiati. In: Architectural Record, 207, Nr. 3. New York City 2019, S. 110–115.
  6. Hubertus Adam: Die Kraft der Materie. In: archithese, Nr. 1, Zürich 2021, S. 9–15.
  7. Valerio Olgiati, 1996–2011. In: El Croquis, Nr. 156, Madrid 2011, S. 17–19. Valerio Olgiati. Non-Referential Architecture. In: op.cit., S. 5.
  8. Valerio Olgiati, Markus Breitschmid: Non-Referential Architecture. Park Books, Zürich 2019.
  9. Markus Breitschmid: Valerio Olgiati’s Ideational Inventory. In: El Croquis, Nr. 156, Madrid 2011, S. 18–19.
  10. Valerio Olgiati: Iconographic Autobiography. In: 2G, Nr. 37, Barcelona 2006, S. 135–141.
  11. Olgiati/Breitschmid: After Postmodernity: Non-Referential World. In: op.cit., S. 32–41.
  12. Biographies. In: op.cit., S. 266.
  13. Valerio Olgiati. Non-Referential Architecture. In: a+u, 601, 2020, S. 5.